Grenzen auf, Grenzen zu

(c) Die Presse (Teresa Zoetl)
  • Drucken

Italien will aus Sicherheitsgründen Grenzkontrollen wieder einführen. Darf das sein?

ROM/ Wien/ Brüssel. Roberto Maroni ist ein Mann der raschen Tat. Der Lega-Nord-Politiker will aus Sicherheitsgründen wieder Grenzkontrollen einführen. Schon diese Woche soll die neue italienische Regierung unter Silvio Berlusconi ein Sicherheitspaket im Kampf gegen Kriminalität und illegale Zuwanderung beschließen. Eine der geplanten Maßnahmen ist die Aussetzung des Schengen-Abkommens. Die Aktion richtet sich vor allem gegen rumänische Zuwanderer und Roma, die in der Öffentlichkeit für die wachsende Zahl von Verbrechen verantwortlich gemacht werden.

Tatsächlich sieht das Schengen-Abkommen vor, dass im Falle von einer „ernsten Bedrohung für die öffentliche Ordnung oder die innere Sicherheit“ Kontrollen an den internen Ländergrenzen wieder eingeführt werden können, so heißt es im EU-Recht. Allerdings gilt dies nur „ausnahmsweise“ und für einen eng begrenzten Zeitraum: Für maximal 30 Tage dürfen die Grenzen wieder dicht gemacht werden, die Personen- und Passkontrollen bei Einreisenden also wieder aufgenommen werden. Eine Ausdehnung dieser Frist ist nur dann möglich, wenn die „ernste Bedrohung“ länger als 30 Tage andauert. Zur Gänze aufgehoben werden kann Schengen aber nicht mehr. Dies ist nur für die Zeit erlaubt, für die ein Mitgliedsland eine konkrete Bedrohung belegen kann. Auf den italienischen Fall ist dies nach Ansicht der Brüsseler Experten nicht anwendbar.

Auch Österreich wird sich voraussichtlich für die Zeit der Fußball-Europameisterschaft im Juni eine Auszeit von „Schengen“ nehmen, um unter anderem dem Ansturm gewaltbereiter Fans besser Herr zu werden. Es folgt damit dem Beispiel mehrerer EU-Staaten, die während großer Sportereignisse im Land wieder Polizisten an die Grenze schickten.

Über ein Aussetzen der Schengen-Regeln entscheidet grundsätzlich das betroffene EU-Land, das aber die EU-Kommission und die anderen Mitgliedstaaten informieren muss: Gründe und Dauer für den Ausnahmezustand müssen detailliert angegeben werden.

Italiens neuer Innenminister Maroni sieht die Kriminalität in seinem Land im Gegensatz zu den EU-Experten als ausreichenden Grund für die Wiedereinführung der Grenzkontrollen. Er dürfte neben den Seegrenzen vor allem die Grenzen zu Slowenien und Österreich im Auge haben, über die Rumänen und Roma nach Italien weiterreisen. Indirekt legt die Ankündigung auch das Misstrauen gegenüber Ungarn offen, das seit der Schengen-Erweiterung im vergangenen Dezember für die Kontrolle der Grenze zu Rumänien verantwortlich ist.

Die rumänische Regierung ortet durch das vorgesehene Bündel an Maßnahmen – darunter auch eine Gleichstellung des illegalen Aufenthalts mit einem Verbrechen – einen ausländerfeindlichen Akt der neuen italienischen Regierung. Ähnlich besorgt äußerte sich Kardinal Renato Martino, der „Justizminister“ des Vatikans.

In Zwiespalt kommt bei diesen Ankündigungen der ehemalige EU-Kommissar Franco Frattini, der nun als Außenminister der neuen italienischen Regierung diese Entscheidungen mittragen muss. Er hatte sich in Brüssel immer für eine pragmatische Zuwanderungspolitik eingesetzt und argumentiert, dass die Schengen-Erweiterung kein Sicherheitsrisiko bringen werde. Nun soll er die Öffnung der Grenzen zu osteuropäischen Ländern wieder teilweise rückgängig machen.

Kontrollen während der „Euro“

Vor und während der Fußball-Europameisterschaft wird auch Österreich wieder zeitweise Einreisende kontrollieren. Wie eine Sprecherin von Innenminister Günther Platter (VP) gegenüber der „Presse“ erklärt, werde es allerdings nur punktuell und je nach Bedarf Kontrollen geben. Experten des Ministeriums bereiten für den Beginn der Europameisterschaft an fast allen Grenzübergängen Kontrollen vor. „Danach werden wir die Fan-Routen genau beobachten und darauf reagieren“, heißt es aus dem Team zur Vorbereitung der „Euro“. Dort, wo keine Grenzstationen mehr vorhanden sind, kommen mobile Teams mit eigens ausgestatteten Bussen zum Einsatz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.