Türkei-Verhandlungen werden intensiviert

(c) APA/EPA/GEORG HOCHMUTH
  • Drucken

EU-Kommission kritisiert Justiz, Polizei und mangelnde Grundrechte in der Türkei.

Brüssel. Die Türkei hat am Mittwoch den negativsten Fortschrittsbericht der EU-Kommission seit Jahren erhalten. Massive Kritik gibt es an den Entwicklungen in Justiz, Polizei und an der Nichteinhaltung von Grundrechten. Dennoch will die EU-Kommission die Beitrittsverhandlungen intensivieren, um dadurch in ebendiesen kritisierten Bereichen Reformen zu erzwingen. „Die Türkei braucht mehr europäisches Engagement und nicht weniger, um ein moderner Staat zu werden“, argumentierte Erweiterungskommissar Stefan Füle vorab in einem Interview mit der „Welt“.

Im Fortschrittsbericht, der jährlich zu allen Beitrittswerbern erstellt wird, werden in der Türkei Defizite sowohl bei demokratischen Grundrechten, rechtsstaatlichen Prinzipien und bei der Bekämpfung von Korruption aufgelistet. Das Gutachten wies insbesondere auf die Entlassung hunderter Polizisten und Staatsanwälte zu Jahresbeginn hin, die sich für die Aufklärung von Korruptionsvorwürfen im Umfeld der Regierungspartei AKP eingesetzt hatten. Außerdem wird das Verhalten der Polizei kritisiert. „Der regelmäßige Gebrauch von exzessiver Gewalt während Demonstrationen und die Festnahmen sind Grund zur Sorge“, heißt es.

Neue Gesetze schränkten zudem die Meinungs- und Pressefreiheit ein. „Die umfassenden Verbote von YouTube und Twitter haben ernsthafte Besorgnis ausgelöst, auch wenn diese später vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurden. Einschüchternde Statements durch Politiker und Verfahren, die gegen kritische Journalisten eingeleitet wurden, in Kombination mit der Eigentümerstruktur des Mediensektors, haben zu weit verbreiteter Selbstzensur der Medieneigentümer und Journalisten geführt, ebenso wie zu Entlassungen von Journalisten“, heißt es im Bericht.

Positives Zeugnis für Serbien

Bei Bosnien und Herzegowina kritisierte die EU-Kommission „einen Mangel an kollektivem politischem Willen, weiter in Richtung EU vorwärtszukommen“. Der Kosovo habe große Fortschritte durch das Assoziierungsabkommen mit der EU gemacht, müsse jetzt aber aus der „Sackgasse“ nach den Wahlen herausfinden, so Füle.

Serbien hingegen sei mit seinen Reformen, der Überprüfung des Rechtsbestandes und der Normalisierung der Beziehungen mit dem Kosovo gut unterwegs. Das Land müsse seine Anstrengungen beibehalten, so Füle. Dem Vernehmen nach forderte die EU-Kommission Serbien auch auf, seine Abkommen mit Russland zur Southstream-Pipeline mit EU-Recht in Einklang zu bringen. (ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.