Belgien: Junger Premier führt "Kamikaze Koalition" an

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Charles Michel, Sohn von Ex-Kommissar Louis, wird Belgiens Premier. Der erst 38-Jährige gehört nun zu den jüngsten Regierungschefs Europas.

Brüssel/Wien. Vier Monate hatten sie verhandelt, in Marathonsitzungen um Kompromisse gerungen – bis sie es Dienstagabend schafften: Belgiens vier größte Parteien einigten sich auf eine Regierung. Der Mitte-rechts-Koalition gehören die separatistischen flämischen Nationalisten (NVA) an. Sie hatten bei der Wahl im Mai die meisten Stimmen bekommen.

Premier wird der liberale Charles Michel. Der Vorsitzende der einzigen frankofonen Partei der Koalition ist der Sohn von Louis Michel – dem Ex-EU-Kommissar und früheren Außenminister, der sich für die Sanktionen gegen die schwarz-blaue Regierung in Wien starkgemacht hat. Der erst 38-Jährige gehört nun zu den jüngsten Regierungschefs Europas. Doch in der Politik ist er bereits ein alter Hase: Schon mit 16 Jahren half Michel seinem Vater im Wahlkampf. Der prominente Papa dürfte der Blitzkarriere des Juniors einen nicht unbedeutenden Schub gegeben haben: Mit 24 schon war Michel Regionalminister, später wurde er Mitglied der Bundesregierung, schließlich Parteichef. Den aufbrausenden Charakter des Vaters scheint Charles Michel aber nicht geerbt zu haben. Von Kollegen wird er als zäher, aber ruhiger Verhandler gepriesen.

Rebellische Flamen

Diplomatisches Geschick wird der neue Premier auch brauchen: Als einziger Wallone in einer von Flamen dominierten Regierung wird ihm wohl vor allem die separatistische NVA das Leben schwer machen. Ihr Chef, Bart de Wever, hat es abgelehnt, Regierungschef der „verräterischen“ Brüsseler Regierung zu werden. Beobachter sprechen bereits hämisch von Michels „Kamikaze-Koalition“.

Immerhin hat Michel diesmal schnell eine Koalition auf die Beine gebracht – für belgische Verhältnisse zumindest: Nach den Wahlen 2010 hatte es bis zur Bildung einer neuen Regierung rund anderthalb Jahre gedauert. [ EPA ] (basta.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2014)

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