Erweiterung: Französische Barrikade für Türkei

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Parlament besteht auf verpflichtender Volksabstimmung zum Beitritt.

Paris. Was Präsident Nicolas Sarkozy aus der Verfassung streichen wollte, möchten seine Parlamentarier durch die Hintertür wieder darin verankern: Eine obligatorische Volksabstimmung der Franzosen zum eventuellen EU-Beitritt der Türkei.

Das Misstrauen der Parlamentarier der Mehrheitspartei UMP gegenüber einer solchen EU-Erweiterung war stärker als ihre Loyalität gegenüber der Regierung. Unter den zahlreichen Änderungen, welche das Parlament an der ursprünglichen Vorlage einer Verfassungsänderung zur Modernisierung der französischen Institutionen vornahmen, gehört auch die Volksabstimmung über weitere EU-Beitritte. In der diese Woche verabschiedeten Fassung der Nationalversammlung steht auf Wunsch der UMP-Vertreter nun ein Artikel, der eine obligatorische Volksabstimmung vorsieht, wenn es sich beim zukünftigen EU-Beitrittskandidaten um ein Land handelt, dessen Bevölkerung mehr als fünf Prozent der EU-Einwohner umfasst. Gemeint ist dabei natürlich klar die Türkei, auch wenn theoretisch ebenso andere Staaten auf diese Weise durch ein Volksveto an ihrem Beitritt gehindert werden könnten. Für Kroatien wäre übrigens mit einer Einwohnerzahl von 4,4 Mio. in diesem Fall kein Referendum notwendig.

Bei der Begründung seines Antrags hatte der UMP-Abgeordnete Richard Mallié gesagt: „Eine Reihe von Nachbarländern wären betroffen: Die Ukraine, Russland und die Türkei und, warum nicht, morgen Algerien und Marokko.“ Dass im Fall von so bevölkerungsreichen Ländern das Volk automatisch konsultiert werde, sei notwendig.

Ein automatisches Referendum über alle weiteren EU-Erweiterungen ohne demografische oder geografische Kriterien hatte bereits Präsident Jacques Chirac in der Verfassung verankert. Sein Nachfolger Nicolas Sarkozy aber wollte diese allzu verpflichtende Regelung wieder streichen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.06.2008)

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