Ein EU-Mandat, 68 Nebenjobs

An European Union flag flutters outside of the European Parliament in Brussels
An European Union flag flutters outside of the European Parliament in BrusselsREUTERS
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Transparency International untersuchte die außerparlamentarischen Aktivitäten der Europaabgeordneten. Die Studie soll helfen, Interessenkonflikte aufzudecken.

Brüssel. Es ist ein gut gemeinter Versuch, den Transparency International am Montag unternimmt: Die Experten der internationalen Nichtregierungsorganisation haben zum ersten Mal alle verfügbaren Daten zu Nebentätigkeiten und -einkünften der 751 Abgeordneten des Europaparlaments in eine Tabelle gepresst, um das Ausmaß der außertourlichen Aktivitäten der Parlamentarier quantifizierbar und miteinander vergleichbar zu machen. Das Ergebnis der aufwendigen Rechenarbeit ist unter dem Namen „EU Integrity Watch“ (www.integritywatch.eu) im Internet abrufbar und wird heute in Brüssel präsentiert. „Die Presse“ konnte die erstellten Spreadsheets bereits vorab begutachten.

Demnach gehen 398 Europaabgeordnete (53Prozent des Plenums) mindestens einer außerparlamentarischen Tätigkeit nach – bei 110 von ihnen ist es eine regelmäßige und bezahlte Tätigkeit. Zwölf Abgeordnete gaben an, monatlich mehr als 10.000 Euro nebenher zu verdienen. Insgesamt liegen die Nebeneinkünfte aller Abgeordneten pro Jahr zwischen 5,8 und 18,3 Mio. Euro – ein nicht unbeträchtlicher Betrag, aber dennoch kein Vergleich zum regulären Grundeinkommen aller 751 MEPs, das sich auf rund 70 Mio. Euro pro Jahr summiert. Am umtriebigsten ist übrigens die liberale französische Abgeordnete Nathalie Griesbeck, die insgesamt 68 Tätigkeiten (konkret Sitze in Aufsichtsräten) deklariert hat.

Kernpunkt der Auswertung ist der sogenannte External Activity Indicator, eine Kennzahl, die über das Ausmaß der außerparlamentarischen Aktivitäten eines Abgeordneten Auskunft gibt. Bevor die Mandatare ihren Dienst antreten, müssen sie deklarieren, welche Tätigkeiten sie neben ihrer Arbeit im Parlament ausüben und in welchem Ausmaß diese Tätigkeiten honoriert werden. Je emsiger der Mandatar außerhalb des Hohen Hauses, desto höher der Aktivitätsindikator. Wobei diese Aktivitäten keinerlei Auskunft über die tatsächlich geleistete Arbeit im Parlament geben, wie Daniel Freund von Transparency International betont. Es gehe auch nicht darum, einzelne Abgeordnete an den Pranger zu stellen, denn in den meisten Fällen seien Nebenbeschäftigungen in Ordnung – „solange sie transparent sind und nicht zu Interessenkonflikten führen“.

Falscher Wert dank Vilimsky und Mayer

Inwieweit die Datenbank zu dieser Transparenz beitragen kann, ist noch nicht abzusehen – fest steht jedenfalls, dass die heute vorgestellten Ergebnisse mit Vorsicht genossen werden müssen, was sich am Beispiel der Europaabgeordneten aus Österreich dokumentieren lässt. Für die 18 österreichischen Parlamentarier ermittelte Transparency nämlich mit 8,0 Punkten den höchsten durchschnittlichen Aktivitätsindikator unter allen EU-Mitgliedsländern. Berechnungen der „Presse“ haben allerdings ergeben, dass dieser Durchschnittswert nach oben verfälscht wurde – und zwar durch die FPÖ-Abgeordneten Harald Vilimsky und Georg Mayer, deren Nebentätigkeiten nicht korrekt vermerkt waren. Während Mayer in der Tabelle nach wie vor als Landtagsabgeordneter (mit entsprechenden Einkünften) firmiert, gab Vilimsky seine Einkünfte als Generalsekretär der FPÖ offenbar doppelt an. Die beiden freiheitlichen Europapolitiker waren für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Ähnliches gilt für Angelika Mlinar von den Neos, die mit 32 Punkten den höchsten Aktivitätsindex unter den Österreichern aufweist – was allerdings insofern fehlerhaft ist, als ihr bereits zurückgelegtes Nationalratsmandat mitgerechnet wurde. Zieht man dies ab, sinkt der Index auf 15Punkte. Mlinar selbst gibt gegenüber der „Presse“ drei Nebentätigkeiten an: im Vorstand und in der Parteiakademie der Neos sowie im Volksgruppentag der slowenischsprachigen Minderheit in Kärnten. Als Unternehmerin sei sie momentan nicht aktiv.

Rechnet man diese drei Fehler heraus, reduziert der österreichische Durchschnittswert sich nahezu um die Hälfte auf 4,8 Punkte – das wäre dann EU-weit der dritte Rang, hinter Frankreich (6,0 Punkte) und Belgien (5,0) sowie vor Rumänien, Finnland, Polen und Dänemark (je 4,0). Deutsche Abgeordnete kommen demnach auf durchschnittlich drei Punkte. Am anderen Ende des Spektrums befinden sich die irischen Parlamentarier mit exakt null Punkten – alle Angaben sind selbstverständlich ohne Gewähr.

Transparency International ist sich dieser Problematik durchaus bewusst und plädiert für einheitliche Vorgaben für die Abgeordneten, wie sie ihre Nebentätigkeiten zu deklarieren haben – sonst sei es nahezu unmöglich, die Aussagekraft der Daten zu prüfen.

AUF EINEN BLICK

398 EU-Abgeordnete (53 Prozent des Plenums) gehen mindestens einer außerparlamentarischen Tätigkeit nach. Zwölf Abgeordnete gaben an, monatlich mehr als 10.000 Euro nebenher zu verdienen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2014)

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