Pestizide: Gefährden EU-Regeln unser Essen?

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Mit einer Harmonisierung in der EU wurden in Österreich viele Pestizid-Höchstwerte angehoben. Umweltschützer warnen vor Risiken, Regierung und EU-Behörde beruhigen.

WIEN/BRÜSSEL. Das schöne Obst und Gemüse hat seinen Preis. Und den nicht nur an der Kassa, sondern auch für unsere Gesundheit. Denn um den Befall durch Schädlinge zu minimieren und damit die Optik zu verbessern, werden zahlreiche Spritzmittel eingesetzt, die gesundheitsgefährdende Pestizide enthalten. Bisher haben die EU-Staaten einen Großteil der Zulassung dieser Mittel selbst geregelt. Doch seit dem 1. September gibt es für 1100 Pestizide einheitliche Grenzwerte in der gesamten Union. Da sich durch diese Vereinheitlichung in Österreich für 200 Stoffe höhere Grenzwerte als bisher ergeben haben, ist nun ein Streit ausgebrochen, der bis in die Regierung reicht.

Ursache des Konflikts ist eine Studie der Umweltorganisation Global 2000, die zum Schluss kommt, dass viele der nun erlaubten Grenzwerte zu akuten und chronischen Gesundheitsgefährdungen führen können. Laut den Autoren sind zahlreiche Höchstwerte „derart großzügig“ festgelegt worden, dass bereits bei einmaligem Konsum eine Gefährdung drohe. Bei 570 Grenzwerten für Obst und Gemüse werde die sogenannte akute Referenzdosis für Kinder überschritten. Spitzenreiter bei der Pestizidbelastung seien Trauben, Birnen und Äpfel.

SPÖ-Umweltsprecherin Petra Bayr hält die neuen EU-Regeln für „nicht hinnehmbar“. Kritik kommt auch von den Grünen, dem BZÖ und der Bürgerinitiative „Rettet Österreich“. Das von ÖVP-Ministerin Andrea Kdolsky geführte Gesundheitsressort und die EU-Kommission versuchen hingegen, die Konsumenten zu beruhigen.

„600 Substanzen verboten“

Der zuständige Bereichsleiter im Gesundheitsministerium Ulrich Herzog bestätigt zwar auf Anfrage der „Presse“, dass durch die Harmonisierung einige Höchstwerte in Österreich angehoben wurden. Er betont allerdings, dass dies rein technische Gründe gehabt habe. Denn die Höchstgrenze von 0,01 Milligramm pro Kilogramm, die für viele Pestizide bisher in Österreich festgelegt worden war, sei gar nicht messbar gewesen. Nun seien die Höchstwerte lediglich auf messbare Werte angehoben worden. Gleichzeitig wurden von der EU auch 600 Substanzen völlig aus dem Verkehr gezogen. „Insgesamt gibt es nun mehr Sicherheit“, ist Herzog überzeugt. „Denn jetzt gelten in der EU einheitliche Grenzwerte – etwa auch für Paprika aus Spanien.“ Das Gesundheitsministerium sei dennoch bereit, die Einwände von Global 2000 an die zuständigen EU-Stellen weiterzuleiten. Die Grenzwerte wurden durch die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) festgelegt.

Die EU-Kommission verteidigt ebenfalls die neuen Höchstgrenzen, gibt aber auch zu, dass es neben Absenkungen einige Anhebungen von Grenzwerten gab. Immerhin habe man durch die Verordnung auch Länder ins Boot bekommen, die für einzelne Produkte bisher keine Pestizid-Höchstmengen vorgesehen hatten, hieß es auf Anfrage der „Presse“.

„Sicherheit nicht bedroht“

Bei dem Konflikt um die Grenzwerte gebe es „nicht nur ein Produktions-, sondern auch ein Konsum-Element“, sagte eine Sprecherin von EU-Gesundheitskommissarin Androulla Vassiliou. Den Vorwurf unter anderem von Global 2000, für Kinder würden zum Teil massive Gesundheitsschäden drohen, kann man in Vassilious Büro nicht nachvollziehen: Immerhin seien die Grenzwerte „getestet und wissenschaftlich geprüft“ worden, erklärte die Sprecherin der Kommissarin. „Die Sicherheit der Bürger ist nicht bedroht, dafür wird der Handel erleichtert.“ Insgesamt sei der EU-Kommission eine „enorme Anstrengung in einer sehr komplizierten Angelegenheit“ gelungen. Umweltorganisationen hätten sich in der Sache nur „Teile herausgepickt“, um gegen die Verordnung zu argumentieren.

Übersicht zu den Grenzwerten:

http://ec.europa.eu/sanco

pesticides/public/index.cfm

LEXIKON

www.global2000.at/■Pestizide werden außer in der Bio-Landwirtschaft beim Anbau von Obst und Gemüse zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt. Sie töten Larven, Würmer und andere Kleintiere oder verhindern deren Vermehrung.

Wie viel von welchem Stoff dabei zur Anwendung kommen darf, ist seit 1. September erstmals EU-weit geregelt. Und zwar wurden Höchstgrenzen für die erlaubten Rückstände in Agrarprodukten festgelegt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.09.2008)

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