Grüne USA: Europa im Hintertreffen?

(c) AP (Michael Sohn)
  • Drucken

US-Präsident Obama hat den Klimaschutz zum Schwerpunkt gewählt. Damit könnten die USA Europa den Rang ablaufen, die EU-Ökoindustrie aber profitieren.

BRÜSSEL. Europa zaudert, die USA handeln. So könnte bald die Bilanz in der Umweltpolitik dies- und jenseits des Atlantik lauten. Denn der neue US-Präsident Barack Obama und sein Team wollen in den nächsten vier Jahren den „grünen Weg“ gehen, so lautet ein Schwerpunkt der neuen demokratischen Regierung. Die Ziele sind ehrgeizig: Bis 2050 soll der Ausstoß von CO (Kohlendioxid) in den USA um mindestens 80Prozent sinken. Schon bis 2012 sollen mindestens zehn Prozent der Energie in den USA aus erneuerbaren Energiequellen stammen, also zum Beispiel aus Wasser-, Wind-, Solarenergie oder Biomasse. Bis 2025 sollen es sogar 25Prozent sein. Um diese Ziele zu erreichen, hat Obama mit Steven Chu einen Nobelpreisträger als Energieminister in Stellung gebracht, als seine Klimabeauftragte arbeitet die Umweltfanatikerin Carol Browner.

Mit ihren ehrgeizigen Vorhaben könnten die USA Europa rasch in den Schatten stellen. Denn die EU beansprucht zwar seit einem Jahr die weltweite Vorreiterrolle im Umweltschutz für sich. „20 – 20 – 20“, lautet die Formel der EU-Länder, die diese bis zum Jahr 2020 gemeinsam erfüllen wollen. Das heißt: durchschnittlich minus 20Prozent CO-Ausstoß, 20Prozent erneuerbare Energie, 20Prozent mehr Energieeffizienz, beispielsweise durch umweltfreundlichere Kühlschränke, bessere Autoreifen oder eine stärkere Gebäudedämmung, um den Verbrauch von Strom und Gas zu senken.

Europa schont Schwerindustrie

Was die Details ihres Plans angeht, sind die 27 EU-Staaten aber noch immer nicht auf einen „grünen Zweig“ gekommen. Wahrscheinlich sind nach dem EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs vom Dezember 2008 breite Ausnahmen für CO-intensive Industriezweige von der Aluminium- bis zur Stahlbranche. Denn ohne Erleichterungen beim gemeinsamen CO-Ziel wären diese nicht mehr wettbewerbsfähig, so das Argument der Industrie. Sie fordert, weiterhin gratis große Mengen CO ausstoßen zu dürfen, ohne dafür Strafe zahlen zu müssen.

„Es ist wichtig für die EU, nicht zurückzufallen“, warnt Fabian Zuleeg, Experte der Brüsseler Denkfabrik European Policy Centre (EPC), im Gespräch mit der „Presse“. Wie die Regionen sich um den Umweltschutz kümmern, werde in den nächsten zehn Jahren „das entscheidende Wettbewerbsthema“ sein, glaubt Zuleeg. Europa habe den Vorteil, dass seine Klimaziele bis 2020 bereits rechtlich bindend sind, während Obama nach seinem Amtsantritt erst beweisen müsse, welche Maßnahmen er tatsächlich setzen will. Fest steht für Zuleeg aber, dass der neue US-Präsident mit seinem Kampf gegen den Klimawandel „Ernst machen“ will.

Speziell für die europäischen Hersteller von Windenergieanlagen sind das gute Nachrichten: Die Deutschen, Dänen und Spanier haben in der Produktion weltweit die Nase vorne, und der US-Markt wird immer wichtiger für sie.

Windanlagen-Hersteller jubeln

Schon jetzt stellen die USA die meisten neuen Windanlagen weltweit auf. Obama könnte den EU-Produzenten mit seiner Umweltpolitik zusätzlichen Auftrieb verleihen, mehr als US-Betriebe würden also EU-Hersteller von diesem Schwerpunkt profitieren.

Darüber hinaus rät Zuleeg, in Europa die Technologien für mehr Energieeffizienz weiterzuentwickeln. „Das ist die Zukunft“, ist der EPC-Experte überzeugt.

AUF EINEN BLICK

Die neue US-Regierung will bis 2050 minus 80 Prozent CO-Ausstoß erreichen. Bis 2012 sollen es zehn Prozent erneuerbare Energien sein, bis 2025 sogar 25 Prozent. Biosprit und sonstige Öko-Energien sollen aus einem Fonds mit 150 Mrd. US-Dollar (116 Mrd. Euro) finanziert werden.

Die 27 EU-Länder wollen bis 2020 im Schnitt minus 20 Prozent CO-Ausstoß, 20 Prozent erneuer-bare Energie und 20 Prozent mehr Energieeffizienz erreichen. Für CO-intensive Industriezweige sind breite Ausnahmen geplant.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.