Umweltminister Berlakovich nimmt Plastiksackerl ins Visier

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Landwirtschafts- und Umweltminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) will Auto fahren und den Agrardiesel weiter steuerlich subventionieren, aber bald etwas gegen den Plastikmüll unternehmen.

Die Presse: Die EU-Kommission hat jüngst sehr ehrgeizige Ziele zur Senkung des CO2-Ausstoßes vorgestellt: Im Jahr 2020 sollen die Industrieländer um 30 Prozent weniger davon emittieren, als sie das 1990 getan haben. Wie bewerten Sie das?

Nikolaus Berlakovich: Grundsätzlich positiv, weil die EU alle OECD-Staaten einbezieht und sagt: Es muss etwas passieren.

Das wahre Problem sind aber Schwellenländer wie China, Indien, Russland, die sehr ineffizient mit Energie umgehen. Wieso sollen die auf EU-Zuruf umdenken?

Berlakovich: Meine Erfahrung von der UNO-Weltklimakonferenz in Posen im Dezember zeigt, dass die starke Ansage der EU sehr wohl gehört wird. Inwieweit das den Rest der Welt dazu bewegt, auch etwas zu tun, ist eine zweite Frage.

In Österreich ist von 1997 bis 2007 der CO2-Ausstoß um elf Prozent gestiegen. Zynisch gesprochen können Sie als Umweltminister nur hoffen, dass die Rezession tief ist und die Industrie stark schrumpft.

Berlakovich: Auch als Umweltminister wünsche ich mir keine Rezession, im Gegenteil. Für mich bedeutet Umweltschutz auch, „green Jobs“ in der Umwelttechnologie zu schaffen. Aber es ist richtig, dass die Klimaschutzziele enorm ambitioniert sind und nur in einer nationalen Kraftanstrengung zu erreichen sein werden. Alle Sektoren, Verkehr, Industrie, die Länder im Rahmen der Wohnbauförderung, müssen ihren Beitrag leisten.

Stichwort Wohnbauförderung: Müssten Sie als Umweltminister nicht auf den Tisch hauen und fordern, dass die Wohnbauförderungsbeiträge wieder für die Sanierung von Altbauten zweckgewidmet und nicht dafür verwendet werden, dass Finanzlandesräte an den Finanzmärkten spekulieren?

Berlakovich: Ich sehe keine Notwendigkeit, die Aufhebung der Zweckwidmung rückgängig zu machen. Wir haben jedoch eine Abmachung mit den Ländern geschlossen, in der sie sich dazu bereit erklären.


Finden Sie es nicht verwunderlich, dass es den Wohnbauförderungsbeitrag gibt, der die Lohnkosten erhöht, und dann beschließt Ihre Regierung zusätzlich 100 Mio. Euro für die Wohnbausanierung, obwohl es dafür schon eine Geldquelle gibt?

Berlakovich: Das ist Teil des Konjunkturpakets II, in dem es um einen zusätzlichen Impuls für die Bauwirtschaft geht, und überdies wird ein zusätzlicher Anreiz für den Klimaschutz geschaffen.

Der Autoverkehr ist in Österreich die am stärksten wachsende CO2-Quelle. Warum fordern Sie nicht die Abschaffung von Pendlerpauschale und Kilometergeld? Der Großteil davon wird nicht in entlegenen Regionen ohne öffentliche Verkehrsmittel in Anspruch genommen, sondern im Speckgürtel rund um Wien.

Berlakovich: Ich komme aus einem Bundesland mit hohem Pendleranteil, daher bin ich dafür, dass das beibehalten wird. Viele Leute wollen auf Bahn und Bus umsteigen, da muss man ansetzen.

Klimaschutz und Energiepolitik hängen eng zusammen. Wie soll ein Land wie Polen die hohen Ziele zur CO2-Einsparung erreichen, wenn es 93 Prozent seines Stroms in Kohlekraftwerken erzeugt?

Berlakovich: Mein polnischer Amtskollege Sawicki meinte neulich, es gebe in Polen die Tendenz zur Atomkraft. Er selbst will erneuerbare Energiequellen forcieren.

Im EU-Umweltministerrat wird Ihnen Ihr Amtskollege zustimmen, dass erneuerbare Energie wichtig ist – und einwenden, dass Polen jetzt Lösungen braucht, um von den fossilen Energieträgern wegzukommen. Wie sollte man das lösen?

Berlakovich: Polen ist in einer extremen Situation. Aber es gibt dort riesige Agrarressourcen, um zum Beispiel Holz zur Wärme- und Stromerzeugung zu nutzen.

Wie oft pro Tag muss der Agrarminister Berlakovich etwas tun, das seinem Auftrag als Umweltminister widerspricht?

Berlakovich: Gar nicht, weil Landwirtschaft in Österreich nachhaltig betrieben wird.

Und was ist mit der Steuerbefreiung für den gesamten Diesel, der in der Landwirtschaft verbraucht wird? Das kostet allein heuer 50 Mio. Euro. Macht Sie das als Umweltminister glücklich?

Berlakovich: Beim Agrardiesel geht es um Wettbewerbsfähigkeit auf dem europäischen Markt, wo sich die Agrarprodukte mit denen aus Deutschland oder Holland messen. Die haben niedrigere Kosten.


So schlecht schlagen sich die österreichischen Landwirte im internationalen Vergleich wohl nicht. Sonst wäre Österreich wohl kaum Netto-Lebensmittelexporteur.

Berlakovich: Schon. Aber es geht darum, dass der einzelne Betrieb überlebensfähig bleibt. Vor allem dann, wenn die Betriebsmittel teurer werden.

Ein wichtiges Betriebsmittel ist Dünger. Der gerät über die Flüsse ins Meer und lässt jeden Sommer in der Adria die Algen blühen. Ist es nicht umweltpolitisch erfreulich, dass Dünger teurer wird? Dann setzen ihn die Bauern sparsamer ein.

Berlakovich: In Österreich verwenden wir – verglichen mit den Niederlanden – ohnehin nur ein Fünftel an Dünger. Außerdem forciere ich den Biolandbau, damit weniger Stickstoff von den Feldern ausgewaschen wird.


Das Dünger- und Klimaschutzproblem hängt eng damit zusammen, dass wir Europäer zu viel Fleisch essen, zu dessen Herstellung tropischer Regenwald gerodet wird, um Futter für Schlachtvieh in Europa anzubauen. Stößt man da nicht an die Grenzen der Vernunft der Bürger, die im eigenen Interesse weniger Fleisch essen sollten?

Berlakovich: Ich bin für die Entscheidungsfreiheit des Konsumenten, weise aber auf die Notwendigkeit gesunder Ernährung und heimischer Lebensmittel hin. Wir bekommen ja nicht nur Futter, sondern auch Fleisch aus diesen Ländern. Daher bedarf es der Stützungs- und Hilfsmaßnahmen für unsere Landwirtschaft.

Das Problem für das Klima entsteht aber eher dadurch, dass österreichisches Vieh mit billigem brasilianischen Soja gefüttert wird. Und an billigem Futtermittel haben die österreichischen Landwirte wohl großes Interesse, oder nicht?

Berlakovich: Es ist aber in meinem Interesse, möglichst viel Futtermittel im eigenen Land zu erzeugen. Ein positiver Nebeneffekt der Biospriterzeugung ist, dass dabei Futtermittel anfällt.


Fängt man in der Nordsee Vögel, findet man in 19 von 20 Mägen Reste von Plastiksackerln, im Durchschnitt 44 Plastikfetzen pro Magen. Ähnlich schaut das bei Speisefischen aus, die auch in Österreich gegessen werden. Ist es nicht Zeit, Plastiksackerln zu verbieten, wie das andere Länder bereits tun?

Berlakovich: Die Idee eines Verbotes ist mir noch zu früh. Das ist aber ein interessanter Aspekt, weil es Alternativen gibt – zum Beispiel Sackerln aus Pflanzenstärke, die verrotten. Der Gedanke verfolgt mich schon länger, inwieweit wir unser System umstellen können.

Was müsste passieren, damit Sie Plastiksackerln verbieten?

Berlakovich: Ich will mir die Modelle in Großbritannien und Kalifornien anschauen, um dann zu schauen, ob es sinnvoll ist, in Österreich eine Initiative zu starten.

AUF EINEN BLICK: DAS BÖSE PLASTIKSACKERL

Kunststoffmüll verursacht viele Umwelt- und Gesundheitsprobleme. Gelangt er ins Meer, fressen ihn Vögel und Fische, und giftige Zersetzungsprodukte gelangen über die Nahrungskette zum Menschen.

Auch Fortschritte gegen Malaria macht er zunichte, weil sich im Abfall Wasser sammelt, in dem sich die Larven der Mücken entwickeln, die die Krankheit übertragen. Zudem braucht man zur Herstellung von Plastiksackerln Erdöl.

Bis 2020 soll der Plastikmüll in Europa gegenüber 1990 um 40 Prozent zunehmen, schätzte 2005 die Europäische Umweltagentur.

Plastiksackerlverbote gibt es (zumindest teilweise) u. a. in Australien, China, London, Italien und Frankreich (2010), San Francisco.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2009)

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