Merkel gegen Tsipras: Streit um Verbleib Griechenlands im Euro

Tsipras, opposition leader and head of radical leftist Syriza party, talks to reporters outside the parliament building after the last round of a presidential vote in Athens
Tsipras, opposition leader and head of radical leftist Syriza party, talks to reporters outside the parliament building after the last round of a presidential vote in Athens(c) REUTERS (ALKIS KONSTANTINIDIS)
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Spekulationen um einen Austritt Athens lassen den Euro fallen. Oppositionschef Tsipras versucht zu beruhigen.

Berlin/Athen. Im Vorfeld der Neuwahlen in Griechenland am 25. Jänner läuft ein heftiger Schlagabtausch zwischen Berlin und Athen – der auf griechischer Seite aber nicht von der aktuellen Regierung, sondern vom Oppositionschef Alexis Tsipras geführt wird. Der Chef der linkspopulistischen Syriza ließ der deutschen Regierung am Dienstag ausrichten, sie verbreite „Ammenmärchen“ über Syriza. Seine Partei sei „keine große Bedrohung für Europa, sondern die Stimme der Vernunft“, schrieb Tsipras am Dienstag in einem Beitrag für die „Huffington Post“.

Die linke Syriza hat den aktuellen Umfragen zufolge gute Chancen, stärkste Kraft im Land zu werden. Tsipras hat bereits mehrfach angekündigt, das Sparprogramm, zu dem sich Griechenland im Gegenzug für Finanzhilfen seiner Euro-Partner und des Internationalen Währungsfonds (IWF) verpflichtet hat, zu beenden und mit diesen über einen weitreichenden Schuldenerlass zu verhandeln. Zu den Versprechen der Linkspopulisten an die Bevölkerung zählen unter anderem Gratis-Elektrizität und die Anhebung der Pensionen. Am Ende dreht sich derzeit aber alles um den Euro. Ein Bericht des Nachrichtenmagazins „Spiegel“, demzufolge ein Euro-Austritt Griechenlands aus Sicht der deutschen Regierung inzwischen „verkraftbar“ sei und Griechenland keine „systemische“ Bedrohung für die Eurozone mehr darstelle, führte am Montag zu einem heftigen Abverkauf der Gemeinschaftswährung. Der Euro sank gegenüber dem US-Dollar fast auf den tiefsten Stand seit neun Jahren.

Tsipras will von einem „Grexit“, wie ein möglicher Austritt Griechenlands genannt wird, aber nichts wissen. „Eine kleine Minderheit, versammelt um die konservative Führung der deutschen Regierung, und ein Teil der populistischen Presse besteht darauf, die Ammenmärchen und Geschichten vom Austritt Griechenlands weiterzuerzählen“, schrieb er. Dabei wolle seine Partei nicht den Zusammenbruch, sondern die Rettung des Euro. Und genau dafür sei ein Schuldenerlass oder zumindest ein Moratorium für die Rückzahlung unvermeidlich.

320 Mrd. Euro Schulden

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble und andere führende Vertreter der Großen Koalition in Berlin haben einen Erlass der Schulden schon mehrfach abgelehnt. Der deutsche Staat sichert rund 50 Mrd. Euro der Hilfskredite an Griechenland mit Bürgschaften ab – Österreich bürgt für rund ein Zehntel dieser Summe.

Das Land hat insgesamt rund 320 Mrd. Euro Schulden, ist seit mehreren Jahren aber von den Kapitalmärkten abgeschnitten und deswegen auf die Hilfe der EU-Partner angewiesen. Unverhoffte Unterstützung erhielt die linke Opposition in Griechenland am Dienstag vom Deutschen Ökonomen Hans-Werner Sinn, dem Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo. Tsipras sei einer der wenigen griechischen Politiker, „die die Natur des Problems verstanden haben und deshalb bereit sind, Wagnisse einzugehen“, so Sinn zum „Handelsblatt“. Allerdings ist Sinn nicht gegen, sondern für einen Austritt Griechenlands aus dem Euro. Ein Schritt, den Syriza offiziell nicht plant.

Dennoch: „Es steht ein weiterer Staatskonkurs mit einem heftigen offenen oder versteckten Schuldenschnitt an, dem in den kommenden Jahren immer wieder neue Kredite und Schuldenschnitte folgen werden, wenn das Land seine Wettbewerbsfähigkeit nicht durch den Austritt aus dem Euro und eine Abwertung seiner Währung wiederherstellt“, so Ökonom Sinn. Die griechische Wirtschaftssituation sei für die Bevölkerung unerträglich. „Und die fortwährenden Neukredite sind unerträglich für die Staatengemeinschaft“, so Sinn.

So sieht es auch der griechische Ökonom und Syriza-Berater Yanis Varoufakis. „Nur ökonomische Analphabeten können glauben, dass sich die griechische Wirtschaft erholt habe“, sagte er dem Magazin „Profil“. Brüssel will von Euro-Austritten nichts hören. Eine Euro-Mitgliedschaft sei „unwiderrufbar“, so die EU-Kommission. Die EZB hat schon 2009 in einem juristischen Papier festgestellt, dass ein Land auch die EU verlassen müsse, wenn es aus dem Euro austreten wolle. (jil)

AUF EINEN BLICK

Griechenland wählt am 25. Jänner ein neues Parlament. Ein Wahlsieg der linkspopulistischen Syriza könnte das gesamte Rettungsprogramm für das überschuldete Land entgleisen lassen. Die deutsche Regierung will sich aber nicht zu weiteren Hilfen erpressen lassen und ließ am Montag wissen, dass ein Euro-Austritt Griechenlands „verkraftbar“ sei. Auch der Ökonom Hans-Werner Sinn sieht darin die einzige Lösung. Syriza-Chef Alexis Tsipras hält dagegen: Man wolle nicht aus dem Euro aussteigen, sondern die Gemeinschaftswährung „retten“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.01.2015)

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