Das Nein zu verschärften Russland-Sanktionen ist das erste Indiz für eine schwierige Beziehung zwischen den EU-27 und der neuen griechischen Regierung.
Wien/Athen. Es hat nicht einmal 24 Stunden gedauert, bis die neue griechische Regierung unter ihrem Ministerpräsidenten Alexis Tsipras erstmals auf Konfrontationskurs zu den EU-Partnern ging. Athen hat sich von den Drohungen gegen Russland distanziert und wird verschärfte Sanktionen gegen Moskau nicht mittragen. Die restlichen 27 EU-Mitgliedstaaten verlieren damit möglicherweise eines ihrer wenigen außenpolitischen Druckmittel.
Die radikale politische Wende in Griechenland wird aller Voraussicht nach zu zahlreichen weiteren Konflikten zwischen Athen und den EU-Partnern führen. Obwohl Syriza-Parteichef Tsipras betont, er sei ein Verfechter des gemeinsamen Europas, sind seine Vorstellungen von der EU kaum mit jenen der Partner vereinbar. Und das betrifft nicht nur das Euro-Krisenmanagement in seinem Land.
Außenpolitisch verfolgt Syriza eine Russland-freundliche Politik. Formal wies die neue griechische Regierung am Mittwoch darauf hin, dass sie bei der Vorbereitung neuer Sanktionen nicht konsultiert worden sei. Tsipras hat freilich bereits in der Vergangenheit die Russland-Sanktionen als „falschen Weg“ kritisiert. Es ist zu erwarten, dass er auch in der europäischen Energiepolitik auf russische Interessen Rücksicht nehmen will. Darüber hinaus wartet bei weiteren außenpolitischen Themen Ungemach: Im Syriza-Programm wird beispielsweise eine Änderung der EU-Politik gegenüber Israel gefordert. Die EU, so wird argumentiert, dürfe keine Regierung mehr mit einem Kooperationsabkommen unterstützen, die Menschenrechtsvergehen begehe. Da in der EU-Außenpolitik Einstimmigkeit für ein gemeinsames Vorgehen Voraussetzung ist, könnte Griechenlands neue Regierung zahlreiche Beschlüsse blockieren.
Ebenso kontrovers dürfte die Linie sowohl von Syriza als auch von ihrem rechtsnationalen Koalitionspartner zum Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) werden. Bisher gibt es in der EU zwar von einzelnen Regierungen Kritik an vorbereiteten Details des Vertrags. Insgesamt herrscht aber ein Konsens darüber, dass ein Handelsraum mit den USA wünschenswert wäre. Dieser Konsens ist durch die Fundamentalopposition von Syriza nun gefährdet. Die linke Partei von Alexis Tsipras lehnt das transatlantische Abkommen grundsätzlich ab, weil es ihrer Ansicht nach zu einem „sozialen und kulturellen Rückschritt“ führen werde. Sollte es in der Regierungsperiode von Syriza zu einer Abstimmung im Rat der EU über TTIP kommen, wäre also ein positiver Beschluss kaum möglich. Im Wahlprogramm der Partei wird für den Fall eines Abschlusses der TTIP-Verhandlungen zudem die Abhaltung eines Referendums in Aussicht gestellt.
Wirtschaftspolitisch positioniert sich die neue griechische Regierung gänzlich anders als bisher im Binnenmarkt üblich. Sie lehnt Privatisierungen und Liberalisierungen strikt ab. So möchte sie die Energieversorgung ähnlich wie andere öffentliche Dienstleistungen wieder verstaatlichen. Ein konkreter Konfliktpunkt könnte die von der neuen Regierung abgelehnte Privatisierung griechischer Häfen werden.
Darüber hinaus vertritt Syriza in der Währungspolitik eine radikal andere Linie als die meisten EU-Partner. Sie möchte die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank (EZB) auflösen und diese unter politische Kontrolle stellen. Die EZB soll zur Badbank des angehäuften staatlichen Schuldenbergs werden. Eine Forderung, die freilich derzeit keine Mehrheit findet.
Im Kernbereich der EU, dem Binnenmarkt, ist durch die griechische Regierung zwar keine große Änderung zu erwarten, da in diesem Politikfeld Mehrheitsentscheidungen vorgesehen sind. Allerdings könnte eine versuchte politische Einflussnahme auf die Wirtschaft und protektionistische Maßnahmen der griechischen Führung zu Konflikten mit den EU-Wettbewerbshütern in Brüssel führen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2015)