Griechenland will "Schulden-Entzug"

Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis (l.) und sein französischer Kollege Michel Sapin.
Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis (l.) und sein französischer Kollege Michel Sapin. REUTERS
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Die EU erwägt, die Griechenland-Troika gleich abzuschaffen. In Athen wird sie ohnehin nicht mehr empfangen. Am Sonntag war man aber um versöhnliche Töne bemüht.

Nach den Konfrontationen der vergangenen Tage standen die Zeichen am Sonntag auf Versöhnung: Frankreichs Finanzminister Michel Sapin empfing seinen griechischen Kollegen Yanis Varoufakis in Paris und äußerte Verständnis für die griechischen Wünsche, von der hohen Schuldenlast herunterzukommen. Wie genau das vonstatten gehen soll, blieb allerdings zunächst unklar, denn zuvor hatte Sapin einen neuerlichen Schuldenschnitt ausdrücklich ausgeschlossen. Jedenfalls machte der Franzose klar: „Griechenlands Platz ist in der Eurozone“.

Sein griechisches Pendant Varoufakis meinte, Griechenland sei abhängig von Schulden geworden, und es sei nötig, auf einen „harten Entzug“ zu gehen – ein Terminus, der dem Drogen-Jargon entlehnt ist. „Wir wurden gewählt, um dieser Abhängigkeit ein Ende zu setzen.“

Kein Empfang, keine Troika mehr?

Ein Ende gesetzt hat Athen vergangene Woche auch der Zusammenarbeit mit der Troika aus EU, EZB und Internationalem Währungsfonds. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erwägt nun offenbar, daraus die Konsequenz zu ziehen und die Troika überhaupt abzuschaffen. Dies berichtete das „Handelsblatt“ am Sonntagabend unter Berufung auf Kreise in der EU-Kommission.

Griechenlands Weigerung, die Sparprogramme der Troika weiter umzusetzen, stießen nicht nur Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem sichtlich vor den Kopf. „Wenn ich ein verantwortlicher griechischer Politiker wäre, würde ich keine Debatte über einen Schuldenschnitt führen“, sagte der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble in einer Reaktion. Die Regierungschefs von Portugal und Finnland, Pedro Passos Coelho und Alexander Stubb, teilen laut Medienberichten seine Meinung. Athen müsse die Reform- und Sparpolitik fortsetzen, stellte auch Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel klar: „Europa wird auch weiterhin Solidarität für Griechenland wie auch für andere besonders von der Krise betroffene Länder zeigen, wenn diese Länder eigene Reform- und Sparanstrengungen unternehmen.“

„Passt nicht ins Bild“

Martin Schulz, der Präsident des EU-Parlaments, zeigte sich ebenfalls über den Vorstoß Griechenlands irritiert. Die einseitigen Ankündigungen des griechischen Finanzministers passten nicht in das Bild, das er sich noch am vergangenen Donnerstag bei seinem Gespräch mit Premier Alexis Tsipras von der griechischen Regierung gemacht habe: „Vielleicht bringt Tsipras noch einmal Ordnung in seine Regierung.“

Ob der griechische Premier das tut, wird sich bald zeigen. Doch die Reaktionen in Europa dürften an ihm nicht spurlos vorübergegangen sein. Es sei niemals die Absicht seiner Regierung gewesen, einseitig zu agieren versicherte er in einer Erklärung gegenüber der US-Nachrichtenagentur Bloomberg. Er fühle sich demMandat der griechischen Bevölkerung verpflichtet, die bisherige Sparpolitik durch eine Wachstumspolitik zu ersetzen. Dies habe jedoch „keineswegs zur Folge, dass wir unseren Verpflichtungen gegenüber der EZB und dem IWF nicht nachkommen“. Seine Regierung brauche aber mehr Zeit für ihr Reformprogramm, sagte der Chef der linken Partei Syriza.

In einer Tour durch die europäischen Hauptstädte will offenbar nicht nur Tsipras, sondern auch Varoufakis für seinen Anti-Sparkurs Werbung machen. Rom und London stehen in den folgenden Tagen auch auf dem Reiseplan der beiden griechischen Politiker. Auch ein Treffen mit Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble ist geplant.

Die Deutschen sind laut „Bild“-Zeitung für einen Verbleib der Griechen im Euroraum. 62 Prozent sprachen sich gegen einen Austritt Griechenlands aus der Gemeinschaftswährung aus.

(hec/ag.)

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