Griechenland: Ende der Troika als gemeinsamer Nenner

A statue of Greek philosopher Plato is seen in central Athens
A statue of Greek philosopher Plato is seen in central Athens(c) REUTERS (YANNIS BEHRAKIS)
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Der finanzielle Rahmen ist eng gesteckt. Forderungen nach einem Ende des ungeliebten Triumvirats aus EZB, IWF und EU aber stoßen auch in Brüssel auf offene Ohren.

Wien/Brüssel. 85 Prozent – so hoch schätzt Mujtaba Rahman von der internationalen Ideenschmiede Eurasia Group die Wahrscheinlichkeit ein, dass sich Athen, Berlin und Brüssel einig werden und Griechenland in der Eurozone verbleibt. Rahmans Analyse basiert auf zwei Grundannahmen: Erstens werde Angela Merkel nicht als jene deutsche Regierungschefin in die Annalen der Geschichte eingehen wollen, die die Rückabwicklung der europäischen Integrationsbemühungen in die Wege geleitet hat. Und zweitens werde der ökonomische Druck die populistische Links-rechts-Koalition von Premierminister Alexis Tsipras auf den Boden der Realität zurückholen. In der Tat deuten erste Anzeichen darauf hin, dass der 40-jährige Linkspopulist langsam beginnt, die drohenden Gefahren zu erkennen.

Das unmittelbarste Problem ist die fragile Lage des griechischen Banksektors. Seit dem Wahlsieg von Tsipras' Wahlbündnis, Syriza, vor einer Woche haben die an der Börse Athen notierten Banken rund 40Prozent ihres Marktwerts eingebüßt. Denn je lauter die populistischen Rufe nach einem Bruch mit den europäischen Gläubigern, desto mehr Ersparnisse fließen von den griechischen Instituten ab. Nach Schätzungen der Eurasia Group schrumpften die griechischen Spareinlagen bis Ende Dezember um 5,4 auf 213,3 Mrd. Euro, und dieser Prozess dürfte sich im Jänner drastisch beschleunigt haben. Kein Wunder – jeder Euro, der sich im Falle eines griechischen Ausscheidens aus der Eurozone im Ausland befindet, behält seinen Wert und muss nicht in die neue, schwächere Währung umgewandelt werden.

Um die Kapitalflucht zu stoppen, braucht Tsipras einen Deal mit Griechenlands Geldgebern – allen voran mit der EZB, die griechische Banken mit der dringend benötigten Liquidität versorgt. Doch sollte das 172 Mrd. Euro schwere Hilfspaket für Athen Ende Februar ohne eine Einigung auslaufen, müsste die EZB wohl oder übel die Geldzufuhr kappen – und Griechenland wäre sofort in der Bredouille. Was die Rückzahlung der Verbindlichkeiten anbelangt, ist der Spielraum etwas größer. EU-Experten gehen davon aus, dass die griechische Regierung genug Mittel zur Verfügung hat, um die im März fällige Tranche für den IWF (es geht um rund vier Mrd. Euro) zu begleichen. Spätestens Anfang Juni, wenn mehrere Anleihen fällig werden, wäre der Ofen aber aus.

EZB muss sich zurückziehen

Während also der finanzielle Rahmen sehr eng gesteckt ist, gibt es bei einer anderen griechischen Forderung mehr Möglichkeiten zu einer gütlichen Einigung: Denn die Troika der internationalen Geldgeber (EU-Kommission, EZB und IWF), die Tsipras abschaffen möchte, ist auch in Brüssel umstritten und dürfte ohnehin vor dem Aus stehen. Zu Hilfe kommt dem griechischen Premier der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs, der Anfang Jänner befunden hat, dass sich die EZB aus der Troika zurückziehen müsse, falls sie mit dem Ankauf von Staatsanleihen beginne – was bereits angekündigt wurde.

Im Europaparlament verweist man freilich darauf, dass konkrete Forderungen nach einer Umorganisation der Troika bereits ein knappes Jahr alt sind: Im März 2014 stimmte eine Mehrheit des Abgeordnetenhauses für einen Bericht unter Federführung von ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas, der für die Umwandlung des Gremiums in einen Europäischen Währungsfonds plädiert. „Instrumente wie die Troika, die wir in der Krise geschaffen haben, müssen auf den Boden des Gemeinschaftsrechts geholt werden. Um Transparenz, demokratische Legitimierung und parlamentarische Kontrolle sicherzustellen, bedarf es einer Neuordnung“, so Karas.

Der EU-Abgeordnete hatte im vergangenen Jahr die Hauptstädte aller Krisenländer bereist, um die Arbeit der Troika zu evaluieren. Besonders im Athener Parlament bestand schon damals über Parteigrenzen hinweg Einigkeit darüber, dass die Troika die katastrophalen Folgen der Sparpolitik nicht ausreichend einkalkuliert hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2015)

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