Verteidigung: Radikale Kürzung trotz hoher Altlasten

Panos Kammenos
Panos Kammenos(c) Bloomberg (Kostas Tsironis)
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Der neue Verteidigungsminister von der rechten Anel, Panos Kammenos, will bei den Militärausgaben sparen und die vorhandenen Mittel voll nützen, anstatt neue Güter zu erwerben.

Athen. Markige Sprüche, patriotische Gesten: Medienwirksam übernahm Panos Kammenos, der Verteidigungsminister der jungen Athener Koalition aus Radikalem Linksbündnis, Syriza, und rechtspopulistischen Unabhängigen Griechen, Anel, das Oberkommando über die griechischen Streitkräfte. Zunächst warf Anel-Gründer Kammenos über dem kleinen griechischen Eiland Imia, um das 1996 fast ein griechisch-türkischer Krieg ausgebrochen wäre, in Erinnerung an drei damals getötete Matrosen einen Kranz ab. Die Türkei, die Imia beansprucht, reagierte verärgert und schickte Flugzeuge in den von Athen aus kontrollierten Luftraum über der Ägäis. Nicht, dass sie das nicht häufig tun würde. Das Vertrauen in die junge Regierung festigte der Aktionismus von Kammenos jedenfalls nicht. Und der deutschen Verteidigungsministerin, die sich um die Verlässlichkeit des Landes in der Nato sorgte, ließ er ausrichten, man sei „immer auf der Seite der Alliierten gewesen, wenn es darum ging, die deutschen Besatzungsmächte zurückzuschlagen“.

Umso bemerkenswerter ist der Realitätssinn des rabiaten Rhetorikers Kammenos in Sachen Rüstungspolitik. Kein Wort verlor er bisher über eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben oder gar Waffenkäufe. Im Gegenteil, seine Äußerungen lassen das Gegenteil erwarten. Das Generalsekretariat für Rüstung wird abgeschafft, sämtliche Beschaffungsverträge der letzten Jahre werden von einer neu geschaffenen internen Kontrollkommission unter die Lupe genommen. Er bekannte sich zur Neuorganisation der Streitkräfte, die von seinen Vorgängern begonnen wurde – und eine Reduktion des Offizierskorps sowie die Schließung von Kasernen vorsieht. Allerdings garantierte Kammenos die rückwirkende Bezahlung von gekürzten Gehältern an die Berufssoldaten – das verstärkte den Eindruck, dass die neue Regierung Staatsbedienstete großzügiger behandeln will als ihre Vorgänger. Allerdings bleibt ihr auch nicht viel anderes übrig: Der griechische Verfassungsgerichtshof hatte die Kürzungen aufgehoben. Außerdem muss sich Kammenos nicht um die Beschaffung des Geldes kümmern. Im Budget 2015 haben bereits die Vorgänger einen Polster von 100 Millionen Euro für die Zahlungen vorgesehen.

Ein Hauptgrund für Schulden

Das Militär ist ein Gradmesser für die atemberaubenden Änderungen, die die Krisenjahre im Mittelmeerland mit sich gebracht haben. Noch 2000 machten die Ausgaben der Streitkräfte um die fünf Prozent der griechischen Volkswirtschaft aus – plus nicht ausgewiesene Rüstungsprogramme. 2014 lagen die Ausgaben bei gerade 1,7Prozent. Das Budget liegt heute bei 3,3 Milliarden Euro, das ist weniger als die Hälfte als im Jahr 2010. 60Prozent davon sind für Gehälter und Pensionen vorgesehen – die 110.000 Pensionisten sind eine „Altlast“ der fetten Jahre mit aufgeblasenem Personalstand. 700 Millionen Euro des Budgets werden für Rüstungsprogramme ausgegeben, also für das Abbezahlen alter Schulden. Neue Systeme werden schon seit Jahren nicht mehr bestellt. Die horrenden Ausgaben für Rüstung inklusive der damit verbundenen Korruption waren einer der Hauptgründe für die hohen Staatsschulden. Kammenos ist sich bewusst, dass höhere Verteidigungsetats selbst bei der patriotischen Klientel seiner Partei nicht gut ankommen. Sein Slogan heißt daher: „Volle Nutzung der vorhandenen Mittel.“ Das ist nicht immer leicht: So wurden von 20 bereits 2003 bestellten MH-90-Hubschraubern (Kosten 760 Mio. Euro) erst elf ausgeliefert, davon sind lediglich zwei in Betrieb.

In einem Fall allerdings gedenkt Kammenos nicht zu sparen – und das in voller Harmonie mit seinem Staatssekretär, Kostas Isychos, von Syriza. Zwei staatliche Rüstungsbetriebe, deren Abwicklung Griechenlands Gläubiger fordern, sollen „reaktiviert“ werden. In Kürze will Kammenos nach Indien reisen, um über Rüstungsaufträge für Griechenland zu diskutieren. Die angestrebte „multidimensionale“ Verteidigungspolitik dürfte seine Grundlage also nicht zuletzt in der Hoffnung auf Geldflüsse Richtung Rüstungsindustrie haben. Ob es ausgerechnet der Syriza/Anel-Regierung gelingen wird, die stets defizitäre Rüstung ertragreich zu machen, steht in den Sternen. Ideologische Einwände scheint Syriza keine zu haben – die Linke in Griechenland war nie pazifistisch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2015)

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