Grenzschutz: Islamisten-Check an Europas Grenze

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Der neue Chef der EU-Grenzschutzagentur Frontex, Fabrice Leggeri, will Jihadisten, die auf Flüchtlingsbooten nach Europa reisen, Einhalt gebieten.

Wien/Warschau/Rom. Ob es schon konkrete Fälle gibt, wagt Fabrice Leggeri nicht zu sagen. Die Informationen, die dem Chef der EU-Grenzschutzagentur Frontex vorliegen, geben jedoch großen Anlass zur Besorgnis: Unter den unzähligen Flüchtlingen, die Woche für Woche auf überfüllten Booten das Mittelmeer überqueren, könnten sich laut Dokumenten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auch Jihadisten verstecken; mit Plänen für Anschläge auf europäischem Boden im Gepäck. Seit ein Strategiepapier des libyschen IS-Ablegers aufgetaucht ist, in dem dazu aufgerufen wird, Kämpfer auf diesem Wege nach Europa einzuschleusen („Die Presse“ berichtete), hat die Flüchtlingstragödie im Mittelmeer eine neue Dimension erreicht. Es geht nun nicht mehr nur um die Frage der Rettung und Aufteilung zahllos gestrandeter „Boat People“ in Europa. Es geht auch um die Sicherheit der EU-Bürger selbst. Die Sensibilisierung in der Bevölkerung ist seit den Anschlägen von Paris und Kopenhagen so hoch wie lange nicht.

Das weiß auch Leggeri; und er versucht im Gespräch mit der „Presse“ zu beruhigen: „Wir müssen uns diese Gefahr bewusst machen, doch in Zusammenarbeit mit den nationalen Behörden können wir das Risiko eindämmen.“ An Italiens Küstenabschnitten, dort, wo derzeit besonders viele afrikanische Flüchtlinge stranden, sind speziell ausgebildete Frontex-Offiziere stationiert. Sie sollen die Ankömmlinge „screenen“ – also durch gezielte Fragen überprüfen – und so ein Profil erstellen. „Wenn das Risiko der Radikalisierung besteht, hoffe ich, dass wir das auch erkennen. Diese Information geben wir dann an die Polizeibehörden weiter“, erklärt der 46-Jährige. Mehr kann Frontex nicht tun: Für Terrorismusbekämpfung sind die Nationalstaaten selbst zuständig.

Zusammenarbeit mit Europol

Leggeri will jedoch verhindern, dass kampfbereite Islamisten überhaupt europäischen Boden betreten – und hat sich den Kampf gegen die internationalen Schlepperorganisationen auf die Fahnen geheftet. In Zusammenarbeit mit der europäischen Polizeibehörde Europol will der Franzose den Schmugglern Einhalt gebieten. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg: Vor allem mit Libyen, wo viele der Organisationen operieren, funktioniert die Zusammenarbeit aufgrund fehlender Staatsstrukturen derzeit schlecht bis gar nicht.

Das Geschäft mit den Flüchtlingen ist äußerst lukrativ. Wie die neuesten Frontex-Zahlen zeigen, kassieren Schlepper pro Schiff im Schnitt 2,5 Millionen Dollar. Ob die oft hochseeuntauglichen Kutter überhaupt die europäische Küste erreichen, ist dabei unerheblich: Nicht selten werden die Migranten auch bei stürmischem Wetter und rauer See gezwungen, die lebensgefährliche Reise anzutreten.

Doch je mehr Menschen im Mittelmeer ertrinken, umso lauter wird auch die Kritik an der von Frontex seit November 2014 vor Italiens Küste durchgeführten Mission „Triton“. Die Operation sei ein unzureichender Ersatz für den zuvor eingestellten, unter italienischem Kommando laufenden Einsatz „Mare Nostrum“. Zudem habe „Triton“ nicht das Mandat, Flüchtlinge zu retten, sondern lediglich, die Grenzen abzusichern. Tatsächlich ist Frontex nicht befugt, Rettungsaktionen zu koordinieren. Dennoch habe, so Leggeri, das Überleben der Migranten freilich Vorrang: Bei Gefahr im Verzug stellt „Triton“ die nötigen Mittel – wie Boote oder Hubschrauber – Italiens Marine zur Verfügung.

„Für jeden passende Lösung“

Angesichts des nicht abreißenden Flüchtlingsstroms aus Nordafrika – allein in diesem Jahr könnte ein Massenexodus bis zu 200.000 Menschen an die süditalienische Küste treiben – dürfte „Triton“ ohnehin nur eine Übergangslösung sein. Leggeri hofft auf eine bessere Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten, um den „Druck an den Außengrenzen zu verringern“. Noch in diesem Jahr will der griechische EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos zudem neue Vorschläge in der Migrationspolitik vorlegen. Leggeri warnt: Langfristig brauche es mehr Geld und operative Mittel, um die illegale Grenzüberschreitung einwandfrei festzustellen – und jenen, die wirklich schutzbedürftig sind, ein angemessenes Asylverfahren zu gewähren. „Das ist die Schwierigkeit“, sagt der Frontex-Chef, „für jeden Flüchtling die passende Lösung zu finden.“

Zur Person

Fabrice Leggeri ist seit Jänner diesen Jahres Generaldirektor der EU-Grenzschutzagentur Frontex in Warschau. Der gebürtige Franzose war zuvor im Innenministerium seines Landes für die Abteilung „Kampf gegen illegale Migration“ zuständig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2015)

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