EU-Funktionäre: Frankreich verliert seinen Einfluss

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FRANCE EU PARLIAMENT(c) EPA (PATRICK SEEGER)
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Seit dem Ausbruch der Schuldenkrise stellt Paris deutlich weniger EU-Funktionäre bei den Spitzenposten.

Brüssel. Welchen Einfluss haben die Mitgliedstaaten der EU auf die Ausrichtung der Union? Diese Frage stellt sich nicht nur während der nächtlichen Verhandlungen der Staats- und Regierungschefs im Brüsseler Ratsgebäude Justus Lipsius, sondern auch in Hinblick auf die Personalpolitik in den anderen zwei europäischen Institutionen – Kommission und Europaparlament. Zwar folgt die Vergabe der Spitzenposten grob der Größe der jeweiligen Mitglieder, doch innerhalb des gegebenen Rahmens sind die Unterschiede beachtlich, wie Allison Mandra von der Brüsseler Ideenschmiede Bruegel in einer zu Wochenbeginn veröffentlichten Studie nachweist. Ihr Fazit: Nicht die bloße Bevölkerungszahl, sondern wirtschaftspolitisches Gewicht und längerfristige Planung sind das Zünglein an der Waage, wie die Unterschiede zwischen Deutschland und Frankreich belegen.

Für ihre Enquete hat Mandra die Brüsseler Personalstände der Jahre 1999, 2009 und 2015 verglichen – vor allem die letzten zwei Stichdaten sind aufschlussreich, denn sie verdeutlichen die Auswirkungen der europäischen Schuldenkrise auf die Besetzung der EU-Spitzenposten – also Kabinettschefs und Generaldirektoren samt Stellvertreter sowie parlamentarische Ausschussvorsitzende und Generalsekretäre.

Von 17 auf acht Prozent

Während Deutschland in dem Zeitraum seinen Anteil an EU-Spitzenposten annähernd gleich halten konnte (16 Prozent 2009, 15,4 Prozent sechs Jahre später), hat sich der Anteil französischer EU-Funktionäre mehr als halbiert – von 17 auf acht Prozent. Damit liegt Frankreich hinter Spanien und vor dem deutlich kleineren Belgien, das auf einen Anteil von knapp sieben Prozent kommt.

Jean Quatremer, langjähriger EU-Korrespondent der linksliberalen französischen Tageszeitung „Libération“, führt diesen Rückgang unter anderem auf eine latente Europaskepsis in Paris sowie auf suboptimale Förderung der französischen Kader zurück. Das Ergebnis: Während Deutschland in der EU-Kommission vier Kabinettschefs stellt (allen voran im Kabinett von Jean-Claude Juncker), muss sich Frankreich mit einem Posten begnügen – und zwar beim französischen Kommissar Pierre Moscovici. Damit nicht genug: Im gesamten Entscheidungsprozess in der Gemeinsamen Agrarpolitik sitze kein Franzose an einer Schaltstelle, beklagt Quatremer – und das angesichts der Tatsache, dass Frankreich der größte Rezipient von Agrarsubventionen ist. Bis dato hat Paris versucht, im Gegenzug seinen Einfluss über das Gremium der Staats- und Regierungschefs auszuspielen. Nach Jahren der Krise gelingt Präsident François Hollande dieses Kunststück immer seltener.

Einen interessanten Trend entdeckte Mandra im Zusammenhang mit Großbritannien: Ausgerechnet in dem von London viel geschmähten Europaparlament haben Briten überdurchschnittlich viel Einfluss: Ihr Anteil an parlamentarischen Spitzenfunktionären (10,1 Prozent) und Koordinatoren (14 Prozent) liegt deutlich über dem Anteil britischer Mandatare. Derzeit haben 9,7 Prozent der Europaabgeordneten einen britischen Pass.

Österreich schlägt sich wacker und stellt in der aktuellen EU-Kommission gleich vier Spitzenfunktionäre: einen Kabinettschef, einen Generaldirektor sowie zwei stellvertretende Generaldirektoren. 2009 stammte lediglich ein Generaldirektor aus Österreich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.04.2015)

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