TTIP-Kritik soll ausgetrocknet werden

BELGIUM EU COUNCIL TRADE MINISTERS MEETING
BELGIUM EU COUNCIL TRADE MINISTERS MEETING (c) APA/EPA/OLIVIER HOSLET
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Der neue Vorschlag zum Investorenschutz könnte die Debatte zum EU/USA-Abkommen entkrampfen. Auch von Faymann wird erwartet, dass er nicht mehr als „Problemverstärker“ agiert.

Brüssel. Lange Zeit hatte es den Anschein, als ob bei den Verhandlungen über die Schaffung einer transatlantischen Freihandelszone (TTIP) ausschließlich die EU-Kommission die Zügel in der Hand hätte– schließlich hat die Brüsseler Behörde gemäß EU-Vertrag das Pouvoir, im Namen der Unionsmitglieder über das Handelsabkommen mit den USA zu verhandeln. Mit der Veröffentlichung ihres Kompromissvorschlags zur brisanten Frage der Schutzklauseln für Investoren am Montag nimmt Handelskommissarin Cecilia Malmström nun die Mitgliedstaaten verstärkt in die Pflicht. Denn es war nicht zuletzt die vehemente Kritik aus Deutschland und Österreich, die den Investorenschutz zum umstrittensten TTIP-Thema gemacht hat. Malmströms Botschaft an die EU-Hauptstädte lässt sich folgendermaßen interpretieren: Ich nehme eure Bedenken ernst, nun liegt es aber an euch, für ein gutes Verhandlungsklima zu sorgen.

„Ideologie und Parteipolitik“

Dass dieses Klima zuletzt alles andere als optimal war, lag auch daran, dass sich das Thema TTIP (und die damit verbundenen Ängste vor Chlorhuhn und Co.) wunderbar für populistische Profilierungsversuche eignet. In dem Zusammenhang ist nicht zuletzt Bundeskanzler Werner Faymann – bzw. dessen medial kommunizierte Ablehnung des Investorenschutzes – in Brüssel unangenehm aufgefallen. Nun wird erwartet, dass sich die Tonlage auch in Wien ändern wird. Die europäischen Führungskräfte sollten aufhören, als Problemverstärker zu fungieren, sagte am gestrigen Mittwoch Manfred Weber (CSU), der im Europaparlament die Fraktion der Europäischen Volkspartei anführt. „Wer die TTIP-Verhandlungen jetzt noch ablehnt, dem geht es nicht um die Sache, sondern um Ideologie, Parteipolitik und Antiamerikanismus.“

Die Handelsminister der EU, die gestern in Brüssel von Malmström informiert wurden, folgen nach Worten von Vizekanzler Reinhold Mitterlehner über weite Strecken der Auffassung der Handelskommissarin. Mitterlehner sprach gestern von „wesentlichen Fortschritten bei Transparenz und Rechtsstaatlichkeit“, die dazu beitragen könnten, das Vertrauen der (österreichischen) Bevölkerung in die Brüsseler Verhandlungsführung wiederherzustellen. In Wien äußerte sich der Koalitionspartner etwas skeptischer: „Ich glaube, ein bisschen mehr muss noch gehen“, sagte gestern SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder.

Malmströms Vorschlag versucht, den Kritikern des Abkommens in einem zentralen Punkt den Wind aus den Segeln zu nehmen, indem er dem Investorenschutz einen neuen Rahmen gibt. Ad hoc gebildete Schiedsgerichte sollen einem institutionalisierten multilateralen Investitionsgericht weichen, das entweder separat gegründet oder bei einer bestehenden Organisation (möglich wäre etwa die Welthandelsorganisation WTO) angesiedelt wird. Die bis dato gängige Praxis, wonach Anwälte als Schiedsrichter agieren können, soll zugunsten hauptberuflich tätiger und transparent gewählter Richter abgeschafft werden. Neu ist ebenso die Forderung nach der Einführung von Berufungsinstanzen sowie klaren Verhältnissen beim Rechtsweg– es soll gewährleistet werden, dass Investoren entweder nationale Gerichte oder das Schiedsgericht anrufen können. Und zu guter Letzt schreibt der EU-Vorschlag ausdrücklich die nationale Gesetzeshoheit („Right to regulate“) fest. Soll heißen: Investorenschutz greift nur bei Diskriminierung oder Enteignung, nicht aber bei Änderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen. Nachdem die Brüsseler Behörde davon ausgeht, dass die Schaffung des Investitionsgerichts Zeit in Anspruch nehmen wird, will sie mit den USA über eine Übergangslösung verhandeln.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.05.2015)

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