Dänemark: Referenden zu stärkerer Anbindung an Kerneuropa

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Der dänische Außenminister Martin Lidegaard will die Teilnahme an Justiz- und Verteidigungspolitik durchsetzen.

Wien/Kopenhagen. Die EU-Mitglieder Großbritannien und Dänemark haben einige Gemeinsamkeiten: Beide Länder sind der Union im Jänner 1973 beigetreten, haben aber stets eine gewisse Distanz zu Brüssel gewahrt. Im Lauf der Jahre erstritten sie sich in wichtigen Bereichen der Zusammenarbeit Opt-outs, nehmen also etwa an der Währungsunion oder der gemeinsamen Justizpolitik nicht teil. Nun aber, so scheint es, entwickeln sich die Ambitionen in Kopenhagen und London in die entgegengesetzte Richtung. Während die britische Regierung derzeit alles daran setzt, Kompetenzen von der Brüsseler auf die nationalstaatliche Ebene zurückzuholen, will Dänemark näher an Kerneuropa heranrücken.

Das jedenfalls sagte Außenminister Martin Lidegaard jetzt in einem APA-Interview. „Ich denke, die dänische Bevölkerung ist viel positiver zur EU eingestellt als die britische“, so der Minister. Dänemark suche eine stärkere Annäherung an die EU und wolle Teil der „Kernstaaten“ sein und nicht – wie Großbritannien – in vielen Fragen abseits stehen.

Ob die derzeitige Regierung diese Pläne auch verwirklichen kann, wird sich aber erst weisen: Am Donnerstag kommender Woche stehen Parlamentswahlen an; und Umfragen sehen das Mitte-links-Kabinett von Lidegaard derzeit Kopf an Kopf mit den Rechtsparteien. Im Mitte-rechts-Lager der Opposition könnte die rechtspopulistische Dänische Volkspartei stärkste Kraft werden, die nach britischem Vorbild ein Referendum über die EU-Mitgliedschaft abhalten möchte.

„Druck der Globalisierung“

Lidegaard glaubt dennoch nicht, dass die Wähler der Volkspartei EU-Gegner sind: „Sie protestieren gegen etwas, was sie als unangenehme (wirtschaftliche) Lage sehen, den Druck der Globalisierung“, meint er. Die Anziehungskraft der Partei sei eher in ihrer Anti-Einwanderer-Rhetorik zu finden als in ihrer EU-Gegnerschaft.

Beitritt zu Währungsunion?

Bis nächstes Jahr will die Mitte-links-Regierung in Kopenhagen, der Lidegaards Sozialliberale Partei als stark proeuropäische Stimme angehört, ein Referendum über eine stärkere Beteiligung innerhalb der EU abhalten. „Ich denke, wir haben eine faire Chance, das Referendum zu gewinnen und in einigen Fragen näher (an die EU) zu rücken“, so der Außenminister.

Die Teilnahme an der gemeinsamen Justizpolitik dürfte aber nur der Anfang sein. In weiteren Referenden sollen die Dänen nach Lidegaards Bekunden auch anderen Ausnahmen ein Ende setzen. „Die gemeinsame Verteidigungspolitik wäre als Nächstes dran, wie ich hoffe in kurzer Zeit. Genauso hoffe ich, dass wir der Bankenunion beitreten.“ Auch bestehe immer noch das Ziel der Parteien der Mitte, Dänemark in den Euro zu führen. Allerdings habe die Eurokrise viele Dänen skeptisch gemacht.

Wenige Chancen sieht der Außenminister für eine Teilnahme seines Landes an der gemeinsamen Asylpolitik der EU – trotz der Flüchtlingskrise im Mittelmeer. „Eine große Mehrheit im dänischen Parlament“ wolle eben, dass diese Entscheidungen allein in Dänemark getroffen werden – und nicht in der EU, sagte Lidegaard. (APA/red.)

ZUR PERSON

Dänemarks Außenminister Martin Lidegaard will sein Land näher an Kerneuropa heranführen. Sollte die Regierung nach den Wahlen kommende Woche im Amt bleiben, will er u. a. ein Referendum über eine Teilnahme an der EU-Justizpolitik abhalten, bei der Dänemark bisher über ein Opt-out verfügt. [ APA ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2015)

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