EU schiebt Reform der Unternehmenssteuer auf die lange Bank

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Einen konkreten Vorschlag zur Harmonisierung der Bemessungsgrundlage für Firmen will die EU-Kommission erst im kommenden Jahr präsentieren. Interne Widerstände der EU-Mitglieder stehen einer Neuordnung im Weg.

Brüssel. Wer ankündigt, eine Maßnahme „so früh wie möglich“ zu präsentieren, geht üblicherweise davon aus, dass dieser Zeitpunkt in einer weit entfernten Zukunft liegt. Nicht anders dürfte es den für Steuerfragen zuständigen EU-Kommissaren Valdis Dombrovskis und Pierre Moscovici gehen, die am gestrigen Mittwoch den Aktionsplan der Brüsseler Behörde für eine „faire und effiziente“ Körperschaftsteuer vorgestellt haben. Kernelement des Vorhabens ist eine vereinheitlichte und verpflichtende Berechnungsgrundlage für die Unternehmensbesteuerung in der EU – doch genau diese Komponente wurde am Mittwoch vorenthalten. Der EU-Vorschlag dazu soll demnach „so früh wie möglich im Jahr 2016“ gemacht werden.

Gemäß EU-Recht ist Steuerpolitik im Normalfall Domäne der Mitgliedstaaten. Dass die Kommission tätig wird, ist der Tatsache geschuldet, dass viele internationale Konzerne die rechtlichen Differenzen innerhalb der EU als Einladung zur Steuervermeidung begreifen. Durch steuerrechtliches Pingpongspiel zwischen verschiedenen EU-Jurisdiktionen (etwa zwischen Irland und den Niederlanden) ist es nämlich möglich, die effektive Steuerlast in den niedrigen einstelligen Prozentbereich zu drücken. Spätestens seit im Zuge der LuxLeaks-Affäre Informationen über lukrative Steuerdeals (sogenannte Tax Rulings) ans Tageslicht gekommen sind und EU-weit für Empörung gesorgt haben, steht die EU unter Zugzwang. Die Vereinheitlichung der Berechnungsgrundlage wäre demnach ein erster Schritt Richtung Transparenz. Das Problem: Die Idee ist nicht neu. Bereits 2011 hatte es einen EU-Vorstoß in diese Richtung gegeben, doch er scheiterte an Widerständen der EU-Mitglieder. Die Brüsseler Behörde gibt die Hoffnung allerdings nicht auf: Der Plan sei „ehrgeizig, aber realistisch“, sagte Dombrovskis am Mittwoch.

Kein Mindeststeuersatz

Wie realistisch, wird sich noch zeigen. Denn ursprünglich hätte der Plan deutlich ehrgeiziger sein sollen. Noch vor wenigen Wochen hatte es inoffiziell geheißen, dass die Kommission auch einen verbindlichen Mindeststeuersatz vorschlagen werde – dies hätten Deutschland und Frankreich gefordert, die unter der Steuervermeidung der internationalen Konzerne leiden, berichtete Ende Mai das „Handelsblatt“ unter Berufung auf Kommissionskreise. Doch die Widerstände von Ländern wie Irland oder der Slowakei, die Unternehmen mit einem niedrigen Steuersatz anlocken, waren wohl unüberbrückbar. Und in Steuerfragen gilt in der EU das Prinzip der Einstimmigkeit.

Nun will die Brüsseler Behörde mit anderen Mitteln dafür sorgen, dass Konzerne ihre Steuern dort entrichten, wo sie ihre Gewinne generieren. Einen konkreten Fahrplan dafür gibt es allerdings nicht – stattdessen ist davon die Rede, Schlupflöcher zu schließen und das System der Transferpreise (das Firmen ermöglicht, Gewinne zwischen Tochtergesellschaften in mehreren EU-Mitgliedstaaten hin und her zu schieben) zu reformieren. Wie, wurde am Mittwoch nicht präzisiert.

De facto dürfte die Rolle des Einpeitschers der für Wettbewerbsfragen zuständigen Kommissarin, Margarethe Vestager, zufallen – momentan untersuchen EU-Wettbewerbshüter in Luxemburg den Onlinehändler Amazon und die Finanztochter des Autoherstellers Fiat, in den Niederlanden werden die Geschäftsbücher des Kaffeesieders Starbucks durchleuchtet, in Irland die Steuerbescheide des US-Riesen Apple. Im Raum steht der Vorwurf unlauteren Wettbewerbs.

Ebenfalls am Mittwoch wurde in Brüssel eine schwarze Liste der Steueroasen veröffentlicht, die 30 unkooperative Staaten und Gebiete außerhalb der EU umfasst. In Europa sind Andorra, Liechtenstein und Monaco gelistet, daneben die britischen Kaimaninseln und Bermuda, Bahamas, Barbados, Hongkong und Panama. (ag./la)

Auf einen Blick

Die EU-Kommission legte am Mittwoch ihren Aktionsplan für eine faire und effiziente Körperschaftsteuer vor. Kernelement ist eine verpflichtende, gemeinsame Berechnungsgrundlage für die Unternehmensbesteuerung in der EU. Einen konkreten Vorschlag dazu soll es allerdings erst im kommenden Jahr geben. Zudem will die Brüsseler Behörde das System der Transferpreise reformieren und legale Schlupflöcher für international tätige Konzerne schließen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.06.2015)

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