EU-Wahlkampf in Polen: Lech Walesa tanzt auf zwei Hochzeiten

(c) AP (Czarek Sokolowski)
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Der Freiheitsheld lobt Konservative – und gegen Honorar auch Radikale. In seiner Heimat Polen wurde diese Hymne auf den Anti-Europäer Ganley mit einigem Entsetzen zur Kenntnis genommen.

WARSCHAU. Lech Walesa spielt nach eigenen Regeln. Also kann sich der einstige Held der Gewerkschaft Solidarno?? an einem Tag auf dem Warschauer Kongress der konservativen Parteien Europas (kurz: EVP), zu der die ÖVP zählt, feiern lassen und nur 24 Stunden später auf der zentralen Wahlkampfveranstaltung der europaskeptischen Formation „Libertas“ in Rom als einer der Hauptredner auftreten.

Er sei eine Ikone, jubelten in Warschau die rund 2000 EVP-Delegierten am vergangenen Donnerstag dem Friedensnobelpreisträger von 1983 zu. Walesa habe gegen das Unterdrückungsregime gekämpft und für die Freiheit seines Landes. Der genoss die Jubelarien und pries Europa, das den Menschen Frieden und Sicherheit gebracht habe. Eine Forderung aber habe er an die EU: Brüssel solle die Werft in Danzig retten, sie sei die Wiege der Demokratie in Polen. Die konservativen Delegierten aus 27 Ländern applaudierten auch hier fast frenetisch, obwohl jeder im Saal wusste, dass dies Wunschdenken bleiben muss. Zu viele Menschen produzieren in Danzig zu wenige Schiffe zu zu hohen Preisen.

Was zu diesem Zeitpunkt niemand wusste: Am Tag danach stand Walesa wieder im Rampenlicht. Dieses Mal aber nicht bei den Befürwortern einer starken EU, sondern bei den erklärten Gegnern der europäischen Integration. Auf der Wahlkampfveranstaltung von „Libertas“ überschüttete der ehemalige polnische Präsident den Gründer der Formation, den irischen Unternehmer Declan Ganley, mit Lob. Sein „Intellekt, Ideenreichtum“ und seine „Glaubwürdigkeit“ seien herausragend, sagte Walesa. „Declan Ganley und Libertas haben das Potenzial, Europa zum Besseren zu verändern.“ Die Botschaft der Bewegung müsse überall verbreitet werden, und die Menschen müssten wieder zurück zum Kern des europäischen Projekts geführt werden, sagte Walesa.

In seiner Heimat Polen wurde diese Hymne auf den Anti-Europäer Ganley mit einigem Entsetzen zur Kenntnis genommen. In einem bissigen Kommentar der liberalen Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“ mit dem Titel „Quo Vadis, Walesa?“ wurde der Auftritt in Rom kritisiert. Der Nobelpreisträger habe sich bei der Suche nach einer politischen Heimat etwas verirrt.

Walesa selbst versteht die ganze Aufregung nicht. Er habe dies nur zum Wohle der europäischen Idee getan, verteidigt er sich. Es sei doch besser, einige Radikale ins Europaparlament zu bringen, wo sie nach den allgemeinen Regeln arbeiten müssten, so seine Logik. Ansonsten seien sie doch kaum zu kontrollieren.

Das ist seine politische Erklärung für den Auftritt in Rom, es gibt aber noch eine materielle. „Umsonst hätte ich das nicht gemacht“, erklärt er freimütig. „In Polen verdiene ich ungefähr 3000 Zloty (etwa 700 Euro) im Monat, das reicht mir nicht.“ Über die Höhe des Honorars schweigt Walesa. Gerüchte besagen, er habe 50.000 Euro für seinen Auftritt bei „Libertas“ erhalten. Walesas Kommentar dazu: „Haltet ihr mich für so billig?“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.05.2009)

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