Sympathien für Tsipras: Rufe nach Referendum in Rom

(c) REUTERS (ERIC VIDAL)
  • Drucken

Die Regierung Renzi in Italien spürt die Front der Europakritiker. Sowohl am linken als auch am rechten Rand hat man Sympathien für Tsipras.

Rom. Während Griechenland ins Chaos stürzt, liegen in Italien die Nerven blank. Zitternd beobachtet das Kabinett in Rom die dramatischen Entwicklungen im kleinen Land gegenüber der Adria. Denn die Aussicht eines Grexit beflügelt die Front der Europakritiker und weckt in Rom böse Erinnerungen an den Sommer 2011, als Italien ebenfalls kurz vor dem Bankrott stand und einem strengen Sanierungsprogramm Brüssels zustimmen musste, um eine Pleite abzuwenden.

Seitdem ist viel Wasser den Tiber hinuntergeflossen. Italien hat in den vergangenen vier Jahren einen strengen Sparkurs eingeschlagen, sein Defizit unter die Drei-Prozent-Schwelle gedrückt und ein ehrgeiziges Reformprogramm in die Wege geleitet. Premier Matteo Renzi konnte Italien vergangenes Jahr aus der dramatischsten Rezessionsphase seit dem Zweiten Weltkrieg heraussteuern. Doch die Gefahr einer Ansteckung durch die Griechenland-Krise ist alles andere als gebannt.

Die Renditen auf Staatsanleihen und damit die Kosten der Staatsfinanzierung würden im Fall einer griechischen Pleite rasant steigen. Schließlich ist Österreichs Nachbarland nach Deutschland und Frankreich der drittstärkste Gläubiger der Griechen. Etwa 35 Milliarden Euro beträgt Italiens Beteiligung an den Euro-Rettungsfonds ESM und EFSF. Bilaterale Kredite in Höhe von zehn Milliarden Euro hat Italien den Griechen gewährt. Italienischen Banken drohen Verluste in Höhe einer Milliarde Euro, sollte Griechenland bankrottgehen.

Dass die italienische Wirtschaft eine Ansteckungsgefahr befürchtet, bezeugen auch die Entwicklungen an der Mailänder Börse, die gestern zeitweise um vier Prozent eingebrochen ist. Mehrere Papiere, darunter die Aktienkurse der Bank-Austria-Mutter Uncredit, mussten wegen starker Kurseinbrüche vorübergehend vom Handel ausgesetzt werden. Vor allem Bankenaktien gerieten unter Beschuss. Vergebens versuchte der Präsident der Borsa Italiana, Raffaele Jerusalmi, die sich ausbreitende Panik an der Mailänder Börse zu zügeln. „Der Markt reagiert emotional, doch es besteht kein Grund zur Sorge.“

Auch Wirtschaftsminister Pier Carlo Padoan sieht keine Ansteckungsgefahr. Heute seien die Institutionen und die italienische Wirtschaft solider als 2011. Deshalb mache er sich keine besonderen Sorgen.

Doch ganz entspannt fühlt sich die Regierung Renzi nicht. Schließlich spürt die Front der Europakritiker im Land, die mit Alexis Tsipras' unnachgiebiger Haltung sympathisiert, Rückenwind. Das bezeugen die Ergebnisse der Regionalwahlen am 31. Mai. Bei dem Urnengang hatte die Demokratische Partei (PD) Renzis ihre Stimmen von 41 auf 23 fast Prozent halbiert, während europakritische Parteien wie die populistische Fünf-Sterne-Bewegung um den Starkomiker Beppe Grillo und die rechte Lega Nord kräftig zulegen konnten.

„Votum für Freiheit“

„Das Referendum in Griechenland ist ein Votum für die Freiheit. Endlich kommt es zu einer Volksabstimmung, bei der die Wähler frei entscheiden können, ob sie für die Opfer aufkommen wollen, die Brüssel verlangt. Dieses Referendum fordern wir auch in Italien“, so Luigi Di Maio, Nummer zwei der Grillo-Partei. Auch in Rechtskreisen wächst die Sympathie für die griechische Regierung. „Dieses Europa muss abgerissen und neu aufgebaut werden“, kommentierte der Chef der Lega Nord, Matteo Salvini. (mt)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.