Gysi: „Sie wollen doch nur die Linken loswerden“

Gysi of the German left-wing Die Linke party makes a speech during a parliamentary debate on the Greek debt crisis at the German lower house of parliament Bundestag in Berlin
Gysi of the German left-wing Die Linke party makes a speech during a parliamentary debate on the Greek debt crisis at the German lower house of parliament Bundestag in Berlin(c) REUTERS (FABRIZIO BENSCH)
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Bei einer Bundestagsdebatte zum Thema Griechenland wurden emotional Argumente ausgetauscht. Linken-Chef Gregor Gysi warf der Regierung vor, einen ideologischen Kampf zu führen.

Wien. Deutschland ist dieser Tage für viele Griechen Feindbild und letzter Hoffnungsanker zugleich – kein Wunder also, dass die Bundestagsdebatte zum hellenischen Schudendrama gestern live und mit Simultanübersetzung im staatlichen Fernsehsender ERT übertragen wurde.

Was die Menschen da zu hören bekamen, dürfte aber nicht unbedingt zur Beruhigung der Gemüter beitragen. Eine Einigung auf weitere Milliardenhilfen um jeden Preis werde es gewiss nicht geben, versicherte Kanzlerin Angela Merkel gleich zu Beginn: „Europa ist eine Schicksalsgemeinschaft und als solche eine Rechts- und Verantwortungsgemeinschaft.“ Diese Worte wiegen umso schwerer, als der Bundestag wie auch die Parlamente in anderen EU-Mitgliedsländern ein mögliches drittes Hilfspaket für Griechenland, um das die Regierung in Athen angesucht hat, absegnen muss.

Deutschland könne jetzt in aller Ruhe das für Sonntag angesetzte Referendum über die von den Gläubigern geforderten Sparmaßnahmen abwarten, weil Europa „heute viel stärker als zu Beginn der Staatsschuldenkrise“ sei, versicherte Merkel. Finanzminister Wolfgang Schäuble, der schon während der vergangenen Monate kaum Optimismus für eine Einigung mit der linken Syriza-Regierung in Athen gezeigt hatte, setzte nach: Die wirtschaftliche und finanzielle Lage verschlechterten sich von Stunde zu Stunde, man werde „mit Ernst darüber reden müssen, ob es nicht eine neue Lösung gibt“. Ein Mindestmaß an Vertrauen und Verlässlichkeit sei die Grundvoraussetzung, um zu einer Einigung zu gelangen.

Wille aufseiten der Geldgeber da?

Dass vonseiten der Geldgeber aber überhaupt der Wille zu einer Einigung da sei, zog der Fraktionsführer der Linken, Gregor Gysi, grundsätzlich in Zweifel. Er warf der CDU vor, einen ideologischen Kampf zu führen – bei dem es auch darum gehe, für die Bevölkerung in anderen EU-Mitgliedstaaten ein negatives Exempel zu statuieren. „Ich kann das ja nachvollziehen“, ätzte er in Richtung Merkel und Schäuble. Wenn er, Gysi, in der deutschen Regierung säße und mit dem konservativen Premier eines Schuldenlandes über ein Sparprogramm verhandeln müsste, würde er es diesem auch nicht leicht machen. Am Ende aber, beteuerte Gysi, müsse doch die Vernunft obsiegen. Im konkreten Fall sei jedenfalls nicht das Geld entscheidend für ein Scheitern der Verhandlungen: „Sie wollen die linke Regierung in Athen loswerden. Darum geht es hier doch“, warf er der Koalition unter Buhrufen vor. Und an Merkel gewandt: „Sie können als Zerstörerin oder Retterin des Euro in die Geschichtsbücher eingehen.“

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel zeigte sich später zuversichtlich, dass eine Lösung für Griechenland gefunden werden könne – und das unabhängig vom Ausgang des Referendums am Sonntag. Doch auch für den SPD-Chef gilt die oberste Prämisse der Geldgeber: Gegenleistungen für weitere Hilfszusagen muss es geben. Sonst, so Gabriel, wäre dies der „Einstieg in eine bedingungslose Transferunion“.

Und in einem weiteren Punkt gab Gabriel Kanzlerin Merkel gestern recht: Weder Europa noch die Eurozone sei derzeit wegen Griechenlands in Gefahr. (aga)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.07.2015)

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