Instrumente der Außen- und Sicherheitspolitik

Übersicht. Diplomatie, ziviles Krisenmanagement und Einsatztruppen stehen der EU zur Verfügung, um Frieden zu schaffen und zu erhalten.

Wien/Brüssel. Seit der politischen Wende in Osteuropa baut die EU kontinuierlich eine eigene Außen- und Sicherheitspolitik auf. Sie hat ein umfassendes organisatorisches Instrumentarium entwickelt, um dem Ziel, die EU zu einem globalen Player zu machen, näher zu kommen.

1 EAD, der Europäische Auswärtige Dienst

Warum sollten sich 28 Mitgliedstaaten eigene diplomatische Dienste, eigene Analyseeinheiten, eigene internationale Vertretungen leisten, wenn das gemeinsam viel billiger und effizienter sein könnte? Das war der Grundgedanke für die Gründung eines Europäischen Auswärtigen Diensts (EAD), der seit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags aufgebaut wird. Der EAD umfasst heute rund 3600 Mitarbeiter. Ein Großteil davon arbeitet in den mittlerweile 136 Delegationen in Drittstaaten und bei internationalen Organisationen. Der Auswärtige Dienst ist direkt der Hohen Vertreterin für die Außenpolitik (derzeit Federica Mogherini) unterstellt. Der EAD hat vor allem die Aufgabe, die Außen- und Sicherheitspolitik der Mitgliedstaaten zu koordinieren und gemeinsam in den Vereinten Nationen und bei der Vermittlung von Friedenslösungen (z.B. Iran-Atomgespräche) aufzutreten.

2 Instrumente für ziviles Krisenmanagement

Die EU gilt im Gegensatz zu den USA als „Softpower“. Sie versucht, Konflikte in erster Linie nicht militärisch, sondern diplomatisch und mit zivilen Mitteln zu lösen. Mit Polizisten, Rechtsexperten, Verwaltungsexperten und Katastrophenschutz kann die EU international Hilfe leisten. Ein eigener ziviler Planungs- und Durchführungsstab koordiniert diese Form der Krisenintervention. Ziel ist es, Krisen in einem Frühstadium zu erkennen und mit zivilen Mitteln abzuwenden.

3 Instrumente für militärisches Krisenmanagement

Gelingt keine zivile Befriedung von Krisen, kann die Europäische Union auch militärisch eingreifen. Im EAD wurde zu diesem Zweck ein eigener Militärstab eingerichtet. Er setzt die von allen Mitgliedstaaten einstimmig beschlossenen Friedenseinsätze um und wird derzeit vom Österreicher Wolfgang Wolsolsobe geleitet. Die EU agiert bei diesen Einsätzen mit Truppen, die aus Soldaten der Mitgliedstaaten zusammengesetzt sind. Die politische Koordinierung liegt beim Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee (PSK), das sich aus Vertretern aller Mitgliedstaaten zusammensetzt. Um in Krisenfällen rasch einsatzfähig zu sein, stehen der EU Kampftruppen (Battlegroups) zur Verfügung. Es handelt sich um Einheiten von rund 1500 Soldaten plus Unterstützungskräften, die innerhalb von zehn Tagen einsatzbereit sind. Um das zu gewährleisten, werden jeweils zwei Battlegroups über sechs Monate lang einsatzbereit gehalten. Sie sollen vorwiegend bei Kriseneinsätzen mit UN-Mandat aktiviert werden. Der Plan für die Aufstellung einer EU-Einsatztruppe von bis zu 60.000 Soldaten, die innerhalb von 60 Tagen aktiviert werden können, hat sich bisher mangels Teilnahmebereitschaft der Mitgliedstaaten nicht realisieren lassen.

4 Aktive Nachbarschaftspolitik

Zu den außenpolitischen Instrumenten der EU zählt auch die Nachbarschaftspolitik. Sie wird nicht durch den EAD koordiniert, sondern durch einen eigens dafür zuständigen Kommissar (derzeit Johannes Hahn). Ihre Aufgabe ist es, neue Trennlinien zwischen EU-Staaten und ihren Nachbarregionen zu verhindern. Um dies zu gewährleisten, bietet die EU ihren unmittelbaren Nachbarn Unterstützung im Handel, der wirtschaftlichen Entwicklung und beim Aufbau beziehungsweise der Reform ihrer Rechtsstaatlichkeit an. Für die Umsetzung der Nachbarschaftspolitik stehen pro Jahr rund zwei Milliarden Euro zur Verfügung. Weiteres Geld steht für jene Länder zur Verfügung, die sich für einen Antrag auf Mitgliedschaft entschlossen haben. Die Kernelemente der Nachbarschaftspolitik sind bilaterale Aktionspläne, die gemeinsam zwischen der EU-Kommission und den jeweiligen Partnern vereinbart werden.

5 Humanitäre und Entwicklungshilfe

Zu einer umfassenden Außen- und Sicherheitspolitik zählt auch die materielle Hilfe für Länder in Not. Die EU fördert mit der Entwicklungszusammenarbeit Projekte in ärmeren Ländern mit dem Ziel, ihren Wohlstand nachhaltig zu heben. Für dieses Instrument stehen jährlich rund 2,5 Milliarden Euro zur Verfügung, eine weitere Milliarde wird für humanitäre Hilfe, etwa nach Naturkatastrophen, bereitgehalten. Um an Hilfe zu kommen, müssen die Empfängerländer aber auch politische Vorgaben erfüllen – zum Beispiel demokratiepolitische Standards. Gerade diese Auflagen werden kritisiert, weil sie die Ärmsten der Armen manchmal von einer Hilfe ausschließen. Auch gibt es den Vorwurf, dass die Entwicklungszusammenarbeit oft nationale und Wirtschaftsinteressen der Mitgliedstaaten befriedigt, statt einzig auf die Empfängerländer zugeschnitten zu sein.

6 Gemeinsame Organisation der Rüstung

Der Lissabon-Vertrag hat auch die Einrichtung einer gemeinsamen Rüstungsagentur (European Defence Agency, EDA) vorgesehen. Sie ist für die Koordinierung der Beschaffung neuen Rüstungsmaterials aller Mitgliedstaaten zuständig. Ein Grund für ihre Gründung waren die Probleme bei der Zusammenstellung gemeinsamer Einheiten. Dabei ist offensichtlich geworden, dass es bei militärischem Material zum einen Überkapazitäten, zum anderen aber auch große Mängel gibt. Die Rüstungsagentur soll darüber hinaus zur Modernisierung der Armeen der Mitgliedstaaten beitragen und gemeinsame Forschung in diesem Bereich fördern.

7 Ansätze zu einem gemeinsamen Nachrichtendienst

Die EU verfügt selbst über keine Spionage. Aber im Rahmen des Auswärtigen Diensts wurde mit Intcen (Intelligence Centre) eine Einheit eingerichtet, die Informationen über potenzielle Krisen sammelt. Sie ist auf Informationen aus den Mitgliedstaaten angewiesen. Für diese Aufgaben stehen rund 110 Mitarbeiter zur Verfügung, die zu einem Teil von Mitgliedstaaten abgestellt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2015)

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