Brüssel will alten Hilfsfonds für Überbrückungskredit nützen

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BELGIUM EU COMMISSION GREECE ECONOMY(c) APA/EPA/JULIEN WARNAND (JULIEN WARNAND)
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Die Kommission fordert, auf den stillgelegten Hilfsfonds EFSM zurückzugreifen, damit Athen durch den Sommer kommt. Doch in einigen EU-Hauptstädten regt sich Widerstand.

Brüssel. Eigentlich dachte man, dass der Europäische Finanzstabilisierungsmechanismus EFSM bereits auf dem Abstellgleis der Geschichte angekommen sei – mit der Gründung des Euro-Schutzschirmes ESM 2012 war der Bedarf an dem auf dem ersten Höhepunkt der europäischen Schuldenkrise aus dem Boden gestampften Instrument nicht mehr gegeben. Doch Totgesagte leben bekanntlich länger. Und geht es nach der Vorstellung von Valdis Dombrovskis, soll der EFSM noch einem letzten guten Zweck dienlich sein – der Rettung Griechenlands vor der drohenden Zahlungsunfähigkeit.

Am gestrigen Mittwoch präsentierte der für den Euro zuständige Vizepräsident der EU-Kommission seinen Plan, wie das de facto bankrotte Griechenland in den nächsten Wochen finanziell über Wasser gehalten werden kann. Dombrovskis will den EFSM dazu nutzen, Athen einen dreimonatigen Überbrückungskredit im Umfang von sieben Mrd. Euro zu gewähren. Zwar haben sich Griechenland und seine Geldgeber im Prinzip auf Verhandlungen über ein drittes, 86 Mrd. Euro schweres Hilfsprogramm geeinigt. Bis dieses Geld allerdings abrufbereit ist, werden noch mindestens mehrere Wochen vergehen.

EZB und IWF kommen zuerst dran

Doch Athen hat diese Zeit nicht – und zwar aus zwei Gründen. Erstens muss Griechenland am kommenden Montag 3,5 Mrd. Euro an die Europäische Zentralbank überweisen. Kommen die Griechen dieser Zahlungsverpflichtung nicht nach, müsste die EZB Griechenland für insolvent erklären und den Geldhahn zudrehen – was das Ausscheiden des Landes aus der Währungsunion zur Folge hätte. Grund Nummer zwei: Die Geldgeber Griechenlands – allen voran Deutschland – bestehen auf einer Beteiligung des Internationalen Währungsfonds am Hilfsprogramm (siehe Seite1). Doch Athen schuldet dem IWF Geld – solange diese Schuld nicht beglichen ist, sind dem Währungsfonds die Hände gebunden. Die Verbindlichkeiten gegenüber IWF und EZB belaufen sich bis Ende Juli auf insgesamt sieben Mrd. Euro – genau dieser Betrag soll mittels EFSM bereitgestellt werden. Bis Mitte August muss Brüssel weitere fünf Mrd. Euro auftreiben.

Im EFSM, der zur finanziellen Absicherung Irlands und Portugals eingesetzt wurde, sind noch rund 13 Mrd. Euro geparkt – also genug für Griechenland, um durch den Sommer zu kommen. Doch so einfach ist die Sache nicht: Der EFSM ist nämlich kein Finanzinstrument der Eurozone, sondern der gesamten EU. Soll heißen: Damit auf das Geld zugegriffen werden kann, müssen alle 28 EU-Mitglieder zustimmen – einschließlich Großbritannien. Doch in London regt sich Widerstand gegen den unfreiwilligen Hilfseinsatz. Als „Rohrkrepierer“ hatte der britische Finanzminister, George Osborne, den Plan bezeichnet. Angesichts der Tatsache, dass die Briten spätestens in zwei Jahren über den Verbleib ihres Landes in der EU abstimmen sollen, wollen Osborne und Premierminister George Cameron den Europagegnern keine zusätzliche Munition liefern – auch, weil die EU-Mitglieder sich bereits 2010 darauf verständigt hatten, den EFSM nicht mehr zu nutzen. Bedenken haben dem Vernehmen nach auch Schweden und Dänemark.

Doch laut Dombrovskis ist der Zugriff auf die Mittel des EFSM „der bestmögliche Weg“. Die einzige andere Alternative wären gemäß der Brüsseler Behörde bilaterale Kredite anderer EU-Mitglieder für Griechenland – doch die Bereitschaft dazu hält sich in engen Grenzen.

In Brüssel will man dieses Problem neutralisieren, indem man den Nichtmitgliedern der Eurozone gesonderte Garantien anbietet für den Fall, dass Athen den Überbrückungskredit nicht zurückzahlen kann – Schätzungen zufolge müssten sie für 28Prozent des Geldbedarfs (also rund zwei Mrd. Euro) geradestehen. Als mögliches Pfand sind dem Vernehmen nach jene 3,6 Mrd. Euro im Gespräch, die die EZB mit griechischen Anleihen verdient hat – nach Informationen der „Financial Times“ ist allerdings noch nicht klar, ob der Zugriff auf diese Zinsgewinne rechtlich gedeckt ist.

Parallel zum Überbrückungskredit will die EU-Kommission Griechenland beim Zugriff auf EU-Fördergelder bevorzugt behandeln. „Wir wollen das Land unterstützen“, sagte gestern die für Regionalpolitik zuständige Kommissarin, Corina Cretu. (la)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.07.2015)

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