Griechenland: Nun sind die Finanzminister am Zug

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Am Freitag soll die Euro-Gruppe über das 85 Mrd. Euro schwere Hilfsprogramm befinden. Athen und Brüssel drängen, Berlin rät zur Vorsicht.

Brüssel/Athen/Berlin/Wien. Die Überraschung des Tages kam vom Statistikamt: Entgegen allen Erwartungen und trotz aller Turbulenzen ist die griechische Wirtschaft im zweiten Quartal 2015 gewachsen. Im Vergleich zum Vorquartal belief sich das BIP-Plus auf 0,8 Prozent, teilte die Athener Behörde am Donnerstag mit – eine Wachstumsrate, die vor allem Euklid Tsakalotos erfreuen dürfte. Der griechische Finanzminister bricht nämlich am Freitag nach Brüssel auf, um seine Kollegen von der Euro-Gruppe davon zu überzeugen, dem dritten, 85 Mrd. Euro schweren Hilfsprogramm für Griechenland zuzustimmen. Zwar gibt es bereits eine Übereinkunft auf technischer Ebene, die zwischen Athen und den Institutionen der Geldgeber (EU-Kommission, EZB, Euro-Schutzschirm ESM und IWF) erzielt wurde – das letzte Wort haben allerdings die Politiker. Und einige von ihnen sind nach wie vor skeptisch.

Die Brüsseler Behörde ist jedenfalls für alle Eventualitäten gewappnet. Für das Treffen der Finanzminister am Freitag seien zwei Finanzierungsvarianten als Diskussionsgrundlage vorbereitet worden, sagte eine Kommissionssprecherin am Donnerstag: eine Langzeit-Kreditlinie vom ESM sowie ein Überbrückungskredit beim Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus EFSM für den Fall, dass die Euro-Gruppe am Freitag dem Hilfsprogramm nicht zustimmt. Ohne frisches Geld kommt Athen nicht über die Runden, am 20. August müssen die Griechen nämlich 3,2 Mrd. Euro an die Europäische Zentralbank überweisen.

Während Athen und die EU-Kommission auf rasche Einigung drängen, versucht man in Berlin, das Tempo zu drosseln und den Ball flach zu halten. „An der einen oder anderen Stelle müssen wir noch miteinander reden“, sagte Finanzstaatssekretär Jens Spahn am Donnerstag. Die Bundesregierung will ein Engagement in Griechenland ohne Rückendeckung des Internationalen Währungsfonds vermeiden – doch der IWF wird aller Voraussicht nach erst im Herbst darüber entscheiden, ob er beim dritten Griechenland-Programm mitmacht. Berlin favorisierte ursprünglich die Variante Überbrückungskredit, um in Ruhe mit Athen weiterzuverhandeln und dem Währungsfonds Zeit zum Nachdenken zu geben. Sollte die Euro-Gruppe allerdings schon am Freitag grünes Licht geben, wünscht sich die deutsche Regierung, dass der IWF noch vor der Abstimmung im Bundestag über die neuen Garantien für Griechenland (diese würde am kommenden Dienstag oder Mittwoch stattfinden) klarstellt, ob er „mit an Bord bleibt“, wie es Spahn formulierte.

Finnen stimmen zu

Der Finanzstaatssekretär betonte zwar, dass Deutschland nicht das einzige Land sei, „das im Moment noch Fragen stellt“. Auf Unterstützung aus Helsinki darf Berlin aber nicht mehr zählen: Finanzminister Alexander Stubb erhielt am Donnerstag vom finnischen Parlament das Pouvoir, dem Hilfsprogramm in Brüssel zuzustimmen. Die Finnen hatten bisher als Hardliner gegolten und wie Deutschland an der Teilnahme des IWF festgehalten. Berlin sucht derzeit nach weiteren Verbündeten: Die „Financial Times“ berichtete von einem Positionspapier des deutschen Finanzministeriums, das vor dem Treffen am Freitag in Brüssel an die Euro-Hauptstädte verschickt wurde und in dem die deutschen Bedenken aufgelistet sind. Neben der fehlenden Zusage des IWF hegt Berlin offenbar Zweifel an der tatsächlichen Umsetzung der von Athen zugesagten Reformen. Als besonders problematisch wird demnach die sich abzeichnende Verzögerung bei der Einrichtung des Treuhandfonds angesehen, der griechisches Staatsvermögen im Gesamtwert von 50 Mrd. Euro verwalten und gegebenenfalls privatisieren soll.

Die technische Grundsatzübereinkunft sieht diesbezüglich vor, dass im Oktober eine Arbeitsgruppe eingerichtet wird, die Empfehlungen hinsichtlich Organisation, Zielsetzung und Führungsstruktur des Fonds (haben Geldgeber oder Athen das Sagen?) abgibt – diese sollten dann bis März 2016 von Griechenland umgesetzt werden. Berlin will sich damit nicht begnügen: Es reiche nicht, im Herbst lediglich eine Arbeitsgruppe einzusetzen, heißt es in dem deutschen Papier.

Syriza droht die Spaltung

Noch hat allerdings Finanzminister Tsakalotos keinen Auftrag vom griechischen Parlament erhalten – die Abgeordneten sollten am Donnerstagabend über das Abkommen beraten und am Freitag in den frühen Morgenstunden darüber abstimmen. Es dürfe „keine Verspätungen“ geben, mahnte Tsakalotos am Donnerstag – eine Warnung an den linken Flügel des Regierungsbündnisses Syriza, der das Reformpaket ablehnt. 13 Linksabweichler – unter ihnen Ex-Umweltminister Panagiotis Lafazanis – riefen am Donnerstag zur Bildung einer „breiten Bewegung“ gegen die Sparpolitik auf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.08.2015)

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