Griechenland: Warum Tsipras Wahlen nicht fürchtet

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Das Sparpaket hat das regierende Linksbündnis zerrissen. Trotzdem geht der Teflon-Premier als klarer Favorit in einen neuerlichen Urnengang.

Athen. Für den griechischen Ministerpräsidenten, Alexis Tsipras, ist es schon länger klar gewesen: Donnerstag, der 20. August, wird ein Stichtag für seine Regierungskoalition aus Radikalem Linksbündnis Syriza und den rechtspopulistischen Unabhängigen Griechen (Anel). Bis dahin musste das dritte Rettungsprogramm für Griechenland in Höhe von 86 Milliarden von allen Ländern abgesegnet sein, bis dahin musste die erste Rate ausgezahlt sein, um eine Kreditrate in Höhe von 3,2 Milliarden Euro an die Europäische Zentralbank (EZB) zurückzahlen zu können. Auf dieses Ziel arbeitete der Premier seit Ende Juli fieberhaft hin, dafür schluckte er fast jede schwierige Maßnahme, die ihm die Gläubiger Griechenlands ins Sparbuch schrieben. Nun hat er es geschafft. Die Abmachung steht.

Der nächste Schritt für die Regierung Tsipras wird aber wohl nicht die weitere Stabilisierung der griechischen Wirtschaft sein, die Bankenrekapitalisierung und die Streckung der immensen griechischen Staatsschuld. Zunächst muss Premier Tsipras über Neuwahlen diskutieren, ob er will oder nicht. Nach seiner Grundsatzeinigung mit den Gläubigern am 13. Juli 2015 verabschiedete sich ein Teil seiner Partei, und damit auch seiner Abgeordneten. 42 Syriza-Abgeordnete stimmten letzte Woche gegen ein von Tsipras dem Parlament vorgelegtes Spar- und Reformpaket als Vorbedingung für das Rettungspaket, womit die Regierung mit 120 Stimmen im 300-köpfigen Parlament keine Mehrheit mehr hat. Da die Regierung keine Minderheitsregierung von Gnaden der Opposition sein will, noch eine breite Allparteienkoalition im Parlament anstrebt, wie unermüdlich erklärt wird, bleibt als Ausweg nur der Gang zu den Urnen.

Der erste Schritt zum zweiten Wahlgang in diesem Jahr nach dem Sieg von Tsipras am 25. Jänner 2015 könnte schon Anfang der Woche eine Vertrauensabstimmung im griechischen Parlament sein. Da müssten dann die innerparteilichen Gegner Farbe bekennen: Stürzen sie die „erste Linksregierung“ des Landes – oder stützen sie sie trotz aller Meinungsverschiedenheiten und Spitzen der letzten Wochen, um sich nicht den berühmten schwarzen Peter zuschieben zu lassen?

Wahlen wird es wohl in beiden Fällen geben, denn bereits das nächste Sparpaket im Oktober wird von der innerparteilichen Opposition von der linken Plattform sicher wieder abgewählt werden. Doch möglicherweise wird sie Tsipras im Fall einer gewonnen Vertrauensabstimmung in den Winter hinein verschieben, um zuvor die wichtigen, offenen Wirtschaftsthemen abzuhaken.

Lafazanis will neue Partei gründen

Doch wer sind die Gegner des Flügels von Parteichef Tsipras? Da wären die etwa 30 Abgeordneten der linken Plattform unter Führung von Panagiotis Lafazanis. Sie lehnen den Kniefall vor den Gläubigern ab und würden sogar den Austritt aus der Eurozone dafür riskieren – wie sie ihn finanzieren wollen, ist allerdings nicht klar. Die Führungsriege der Plattform startete ihre politische Karriere in der moskautreuen Kommunistischen Partei Griechenlands. Verstärkt werden sie durch andere linke Splittergruppen, die mit dem Kurs der Syriza-Mehrheit nicht mehr einverstanden sind. Und mit bunten Vögeln wie dem Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis sowie der Parlamentspräsidentin Zoe Konstantopoulou, hohe Beliebtheitswerte in der Wählerschaft aufweisen, aber innerhalb der Partei als Einzelkämpfer gelten. Es ist offen, ob sie in der neuen Partei, die Panagiotis Lafazanis aus der Taufe heben wird, eine Rolle übernehmen werden.

Widerpart zur alten Machtelite

Das Absurde ist, das Tsipras den Wahlen relativ gelassen entgegensehen kann. Seine Syriza lag bei den letzten seriösen Meinungsumfragen Ende Juli immerhin 15 Prozentpunkte vor der zweitplatzierten konservativen Partei. Trotz der chaotischen Verhandlungsführung, einer irregleiteten Volksabstimmung und der Einführung von Kapitalkontrollen im Land kann der Premier immer noch damit rechnen, dass er eine Mehrheit für sich hat.

Denn erstens hat das Volk weniger die „alte“ Syriza, sondern vielmehr Alexis Tsipras gewählt, der zwar versprochen hat, den Sparpaketen eine Ende zu bereiten, gleichzeitig aber den Verbleib in der Eurozone garantiert hat. Und dieses Versprechen hat er letztlich gehalten. Seine vielen, katastrophalen Fehler wiederum verzeiht man ihm, weil er „anders“ ist.

Das ist sein entscheidender Vorteil und das Element, das außerhalb Griechenlands oft übersehen wird: Tsipras ist für Jung und Alt vor allem das Gegenstück zur alten, überlebten Machtelite der traditionellen Parteien. Aus diesem Grund hat man Geduld mit ihm – trotz aller Fehlgriffe der vergangenen Monate.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2015)

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