Druck gegen EU-Asylreform wächst

(c) AP (FRANCESCO VIVIANO)
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Die meisten EU-Länder stemmen sich gegen die Asylpläne der Kommission. Über die Aufnahme von Guantánamo-Häftlingen wird jedes Land selbst entscheiden.

BRÜSSEL. Am Ende, so fürchten Skeptiker, könnte sich ein kurioses Szenario ergeben: Ein Rumäne, selbst seit 2007 Mitglied in der EU, könnte in Österreich um Asyl ansuchen – und bereits nach sechs Monaten als Asylwerber Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten. Derzeit hat er diese Chance nicht, denn Österreich hat sich Ausnahmen vom freien Zugang zum Arbeitsmarkt für alle EU-Bürger ausbedungen: Bis 2011 kann es Arbeitskräfte aus sieben neuen Mitgliedstaaten im Osten aussperren, bis 2013 gilt das für Arbeitskräfte aus Bulgarien und Rumänien. Und Asylwerber dürfen in Österreich oft jahrelang nicht legal arbeiten. Es sei denn, sie sind Saisonarbeiter – dann dürfen sie schon nach drei Monaten hier tätig werden.

Doch das neue Asylpaket der EU-Kommission würde damit innerhalb weniger Jahre aufräumen: Der Entwurf für eine neue Aufnahmerichtlinie sieht vor, dass die EU-Länder Asylwerber künftig nach nur sechs Monaten zur Arbeit zulassen müssen. Damit will die Kommission die illegale Arbeit eindämmen, und die Kosten für Sozialleistungen sollen nach sechs Monaten sinken, etwa jene für Wohnungen oder für die medizinische Versorgung von Asylwerbern. Die EU-Länder müssen einer solchen Vereinheitlichung aber erst zustimmen. Morgen, Donnerstag, in Luxemburg werden die meisten EU-Innenminister allerdings gegen das Asylpaket argumentieren.

Allen voran betonte Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) bereits, dass eine Sechs-Monats-Frist nicht infrage käme. Das würde Österreich für noch mehr Asylwerber attraktiv machen, glaubt sie. Die bestehende Regel sei sinnvoll. Auch Deutschland sieht das ähnlich. Laut EU-Diplomaten sperrt sich inzwischen die Mehrheit der 27 Länder gegen die Asylreform. Die größten Chancen will den Asylwerbern offenbar Spanien einräumen, das in den Vorjahren sogar tausende illegal Beschäftigte „legalisiert“ hat – denn das Land braucht noch zahlreiche Arbeiter, zum Beispiel Erntehelfer.

Stimmen nicht doch noch die meisten EU-Länder für das Asylpaket, dann muss die Kommission mit ihren Plänen zurückstecken.

Zurückschieben verboten?

Viel Widerstand gibt es auch noch gegen ihren Vorschlag, dass Asylwerber dann nicht länger in das EU-Land zurückgeschoben werden können, das sie als Erstes betreten haben, wenn dieses Land bereits unter einer Flut von Asylanträgen leidet. Entscheidend wäre die „besondere Belastung“ des ersten Staates, wenn dieser also die Anträge nicht mehr in einer überschaubaren Zeit behandeln könnte und die Kosten für die Verfahren explodieren würden. Doch Österreich und andere argumentieren, die Belastung lasse sich nicht beweisen. Vielmehr könnte die neue Regel Staaten herausfordern, nicht mehr genügend Geld und Personal für die Abwicklung von Asylanträgen bereitzustellen.

Länder wie Malta und Griechenland wünschen sich hingegen, im Ernstfall von den anderen Staaten entlastet zu werden, indem diese Asylwerber behalten müssten, selbst wenn sie über ein anderes EU-Land eingereist sind. Die südlichen Staaten leiden insbesondere im Sommer unter dem Ansturm von tausenden Flüchtlingen, die vor allem von Nordafrika aus auf Booten die EU ansteuern. Österreich will diese Last nicht teilen, weil es selbst unter einem Ansturm illegaler Einwanderer aus dem Osten leide, so die Argumentation im Innenministerium.

Eine Entscheidung der EU-Innenminister über das Asylpaket wird am Donnerstag nicht gelingen, EU-Diplomaten gehen von einer Annäherung in der zweiten Hälfte des Jahres aus.

Guantánamo: Mehr Auskünfte

Uneinig sind die EU-Länder auch darüber, wie sie mit bisherigen Häftlingen des US-Gefangenenlagers Guantánamo auf Kuba umgehen sollen. Rund 50 bis 60 davon sollen den Wünschen der US-Regierung zufolge nach Europa überstellt werden, ihnen wurden keine terroristischen Taten nachgewiesen. Die EU-Länder werden beim Innenministerrat in Luxemburg voraussichtlich vereinbaren, dass jedes Land selbst über eine Aufnahme entscheidet, die anderen Staaten aber genau über den Aufenthalt der Exhäftlinge informieren wird. Österreich hat bereits klargemacht, dass es keinen Guantánamo-Insassen aufnehmen wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.06.2009)

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