EU gibt den Milchbauern nicht nach

(c) AP (Michael Probst)
  • Drucken

Die EU-Kommission will trotz Protesten mehr Milch in der EU zulassen. Bauern klagen, viele Betriebe müssten zusperren. Brüssel lässt Platz für nationale Hilfe.

BRÜSSEL/WIEN. Wieder ein Protest, wieder kein Erfolg. Da mochten die italienischen Milchbauern am Dienstag noch so zahlreich auf dem Brenner auffahren und die Transitroute blockieren. Bis Donnerstagnachmittag wollen sie zu Hunderten ausharren. Doch die EU-Kommission, die oberste Verwaltungsbehörde Europas, beeindruckt dies offenbar gar nicht: Sie hält am geplanten neuen Regime für die Milchproduktion in der EU fest. Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel will sich nicht von der steigenden „Milchquote“ verabschieden.

Milchquote, das bedeutet: Limits für die Milchproduktion. Und diese will die EU-Kommission weiterhin ausdehnen: ab 2010 um jährlich ein Prozent. 2015 soll die Quote dann endgültig fallen. Denn sie widerspreche dem freien Markt, einem Grundprinzip der EU. Außerdem werde der derzeit abnehmende Milchverbrauch mittelfristig wieder steigen. Ein solches Signal der Kommissarin, dass sie an ihrem Vorhaben festhält, wird für heute, Mittwoch, in Brüssel erwartet. Allerdings wird sie den 27 EU-Ländern dem Vernehmen nach zumindest die Möglichkeit geben, die Quote national auszusetzen. Österreich nützt dies bereits per Gesetz, um die Milchpreise nicht ins Bodenlose stürzen zu lassen, wie es heißt.

Minister will „EU-weite Lösung“

Für Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) ist das nicht genug: „Es ist positiv, dass die Kommission offenbar den österreichischen Weg des Aussetzens der Milchquotenerhöhung bestätigt“, sagte er am Dienstag auf Anfrage der „Presse“. „Es ist aber überhaupt nicht einzusehen, warum die Quotenerhöhung nicht in ganz Europa ausgesetzt wird.“ Die größer werdenden „Milchseen“ seien ein „europäisches Problem“. Eine EU-weite Lösung wäre daher besser als eine einzelstaatliche.

Erlaubt die Kommission – wie vorgesehen – mehr Milch, dann würden die Preise abstürzen, befürchten Vertreter der Milchwirtschaft in zahlreichen EU-Ländern, neben Österreich vor allem in Deutschland. Schon jetzt würden viele Bauern unter Preisen von nur noch knapp über 20 Cent pro Liter Milch leiden. Damit stünden immer mehr Bauern am Rande ihrer beruflichen Existenz. Ein EU-weiter Streik ist in Diskussion, unter den Milchbauern aber noch nicht beschlossene Sache.

Die EU-Kommission bleibt konsequent, will die angespannte Lage auf dem Milchmarkt aber weiterhin genau untersuchen – neue Modelle sind unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen. Das hoffen auch die Agrarexperten im EU-Parlament. Dieses kann die EU-weite Erhöhung und Abschaffung der Quote aber nicht verhindern. Am 1. September wird Fischer Boel im Landwirtschaftsausschuss des Parlaments Rede und Antwort stehen.

„Die Kommission müsste flexibler reagieren, wenn die Märkte zusammenbrechen“, fordert die ÖVP-Abgeordnete und Bauernbund-Funktionärin Elisabeth Köstinger, die Mitglied im Landwirtschaftsausschuss ist: „Wir waren von Anfang an gegen eine Abschaffung der Quote.“

Positiv gewertet wird von EU-Parlament und Ländern der Plan der EU-Kommission, dass diese nicht nur bis Ende August 2009, sondern bis mindestens Ende Februar 2010 überschüssiges Magermilchpulver und überschüssige Butter von Produzenten in der EU „aufkauft“. Die Produkte sollen gelagert und später auf den Markt gebracht werden. Denn derzeit stockt die Nachfrage.

26,9 Mio. Euro für „Intervention“

Mit dieser verlängerten „Intervention“ will die EU-Behörde die Milchbauern in der Wirtschaftskrise stützen. Bis einschließlich Februar 2010 wird die EU geschätzte 26,9 Mio. Euro ausgeben, um 50.000 Tonnen Magermilchpulver und 31.000 Tonnen Butter aufzukaufen. „Es ist eine Notmaßnahme, und sie ist richtig“, sagte dazu Berlakovich. Auch österreichische Milchbauern kommen in den Genuss der Förderung.

In Österreich sank der Preis pro Liter Milch von 28,4 Cent im April auf 27,3 Cent im Mai sowie je 25,6 Cent im Juni und Juli – für diese beiden Monate hat die Agrarmarkt Austria erst vorläufige Zahlen.

AUF EINEN BLICK

In einem „Gesundheitscheck“ haben sich EU-Kommission und Länder darauf geeinigt, die EU-Limits für die Milchproduktion ab 2010 schrittweise anzuheben, um sie 2015 endgültig abzuschaffen.

Seit der Wirtschaftskrise drängen die Länder aber darauf, dass eine EU-Quote bleibt, weil die Milchpreise stark fallen.

Die EU-Kommission hält an der Abschaffung der Quote fest. Sie lässt den Ländern allerdings Raum, nationale Limits zu setzen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.07.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.