EU: Islands Fischern stinkt der Beitritt

(c) AP (Bob Strong)
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Reykjavik hat seinen Beitrittsantrag übergeben, doch es gibt einen Stolperstein: Seine Fischgründe will das Land mit keinem EU-Partner teilen. In der Vergangenheit wurden sie sogar mit Waffengewalt verteidigt.

Kopenhagen. In einer feierlichen Zeremonie hat Islands Außenminister, Össur Skarphedinsson, am Donnerstag den offiziellen Beitrittsantrag seines Landes an die schwedische EU-Präsidentschaft übergeben. Bis Ende 2011 will Reykjavik die Beitrittsverhandlungen mit der EU abgeschlossen haben. Doch der Streit um die Fischereipolitik kann die Schnellspur nach Brüssel blockieren, denn ihre Fanggründe wollen Islands Fischer mit niemandem teilen.

Zwei Drittel des Weges hat die Regierung bereits zurückgelegt, als sie nun den Aufnahmeantrag überreichte. Denn mehr als 20 der 35 Kapitel der Beitrittsverhandlungen sind rasch abgehakt. Durch die Mitgliedschaft im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) hat Island die entsprechende EU-Legislatur bereits in die eigene Gesetzgebung übernommen. Doch heikel sind vor allem die Bereiche, die der EWR-Vertrag nicht abdeckt: die Landwirtschaft, in der man eine heimische Lebensmittelproduktion bewahren möchte, auch wenn sie nach EU-Maßstab kaum rentabel ist, und – vor allem – die Fischerei.

Der Fischfang ist seit jeher Islands wichtigste Einnahmenquelle, und entsprechend entschlossen wollen die Fischer um ihre Fanggründe kämpfen. Das kleine Land mit seinen 320.000 Einwohnern ist weltweit die 16.-größte Fischernation. Als Reykjavik in den 1950er- und 70er-Jahren seine Wirtschaftszone schrittweise von drei auf 200 Seemeilen ausdehnte, lieferte sich die Küstenwache in den „Kabeljaukriegen“ sogar bewaffnete Scharmützel mit der britischen Navy. Auch den EU-Kollegen wollen Islands Fischer die Gewässer nicht freiwillig überlassen. Der Grund ist derselbe wie damals: Man fürchtet, dass durch Überfischung der Lebensnerv der heimischen Bevölkerung bedroht werden könnte.

Seit Island im Irrglauben, als internationales Finanzzentrum neue, lukrativere Wohlstandsquellen gefunden zu haben, auf den Staatsbankrott zuschlitterte, kommt dem Fischfang wieder allerhöchste Bedeutung zu. Das, hofft die Regierung in Reykjavik, müssten auch die EU-Partner einsehen und ihrem nördlichen Freier generöse Ausnahmeregeln zugestehen. „Die Fischereiverhandlungen werden gar nicht so schwierig, wie viele glauben“, verkündet Außenminister Skarphedinsson frohgemut: Nur Fischnationen mit „historischen Rechten“ dürften in den Gewässern anderer Länder fischen, und solche Rechte hätten vor Island „nur ein paar Trawler von den Färöer-Inseln“.

Konkret verlangt Reykjavik das absolute Selbstbestimmungsrecht über die eigenen Bestände: keine EU-Fischer in Islands Zone, die Festlegung der isländischen Fangquoten statt durch die EU durch heimische Politiker und Experten und weiterhin strenge Kontrolle der Gewässer. Das widerspricht zwar allen Prinzipien der gemeinsamen EU-Fischereipolitik. Doch Brüssel bewege sich ohnedies „in Richtung Island“ mit nachhaltigerer Bestandsverwaltung, meint Skarphedinsson. „Und der nächste EU-Fischereikommissar wird ein Isländer sein.“ Die optimistischen Töne könnten am Verhandlungstisch allerdings rasch verstummen. Ab 1.Jänner hält Spanien den EU-Vorsitz, und die spanische Armada gilt als Hauptkonkurrent der isländischen Fischer.

Auch die Bewahrung des Walfangs zählt zu Islands Forderungen. Dies ist auch taktisch begründet: Die rot-grüne Regierung ist eigentlich gegen die umstrittene Jagd auf die großen Meeressäugetiere, beugt sich aber nationalem Druck. Sie hätte wohl wenig dagegen, von der EU zur Aufgabe des Walfangs gezwungen zu werden.

Weiteres Problemfeld: Der Euro

Schwieriger wird das Kapitel über die Finanzpolitik. Hier kommt Island nämlich als Bittsteller. Den Euro statt der entwerteten Krone einführen zu können, ist der Hauptgrund für das Beitrittsgesuch. Doch von den dafür vorgegebenen Kriterien ist das Land weit entfernt: Inflation zwölf Prozent, Budget mit zweistelligem Minus und vor allem eine Staatsverschuldung von mehr als 200 Prozent des BIPs. Ein Teil davon ist auf das Abkommen für die Entschädigung der britischen und niederländischen Kunden der Pleite-Bank Icesave zurückzuführen. Damit steckt Island in der Klemme: Einerseits würde man das Abkommen gerne revidieren, um seine Schulden zu reduzieren. Andererseits ist man auf das Wohlwollen der EU-Partner angewiesen, wenn man in die Euro-Zone will, ohne die Bedingungen gänzlich zu erfüllen. Politiker aus den Niederlanden haben schon klargemacht: Ohne Icesave-Deal brauchen sich die Isländer gar nicht erst an den Verhandlungstisch zu setzen.

AUF EINEN BLICK

Beitrittsantrag. Am Donnerstag hat Islands Außenminister, Össur Skarphedinsson, in Stockholm das Beitrittsgesuch seinem schwedischen Amtskollegen, Carl Bildt, übergeben. Das Land erhofft sich eine rasche Aufnahme in die EU. [Reuters]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.07.2009)

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