Brexit befeuert Anti-EU-Stimmung in Skandinavien

Sweden’s Prime Minister Stefan Lofven and Finance Minister Magdalena Andersson
Sweden’s Prime Minister Stefan Lofven and Finance Minister Magdalena Andersson(c) REUTERS (TT NEWS AGENCY)
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In Schweden werden EU-Austrittsbefürworter stärker. In Dänemark fordern Rechtspopulisten ein Referendum.

Stockholm. Nordeuropas Europafreunde sind erschüttert über die EU-Austrittsentscheidung der Briten. Skandinavien hatte seit der Nachkriegszeit stets ein distanziertes Verhältnis zum Kontinent und der EU. Kulturell fühlen sich die Nordeuropäer heute den Briten näher als den Deutschen oder gar den Franzosen. Die kleinen Nicht-Euro-Länder Schweden und Dänemark verlieren nun einen mächtigen Verbündeten in der EU, der ebenfalls seine eigene Währung behalten hat.

Schweden. Der sozialdemokratische schwedische Premier, Stefan Löfven, berief eine Krisensitzung an diesem Mittsommertag ein, dem nach Weihnachten wichtigsten Feiertag. „Wir respektieren den Beschluss. Aber er ist ein Weckruf für Europa. Es ist besorgniserregend, es wird große Konsequenzen haben“, sagte er.

Bei einem Referendum nach einem britischen Nein würden 36 Prozent der Schweden für den EU-Austritt stimmen und nur 32 Prozent für einen Verbleib. 32 Prozent sind unschlüssig. Dies ergibt eine Umfrage des öffentlich-rechtlichen Fernsehens SVT vom April. 2003 erteilten die Wähler bereits der Euroeinführung eine Abfuhr – gegen den Wunsch fast aller Parteien.

Dänemark. „Wir müssen die Wahl der Briten respektieren. Gleichzeitig kann ich nicht leugnen, dass es sehr traurig für Europa und Dänemark ist“, sagte Dänemarks rechtsliberaler Premier, Lars Lökke Rasmussen. Die rechtspopulistische Dänische Volkspartei DF, die Rasmussens Minderheitsregierung stützt und vor seiner Partei zweitstärkste Kraft des Landes ist, sprach hingegen von einem „großen Sieg des britischen Volkes“. Am Freitag forderte die DF, dass nun auch Dänemark ein Referendum abhält. Premier Rasmussen konterte, dass es mit ihm kein Referendum geben werde.

Norwegen. Zumindest in Norwegen sieht man den Austritt der Briten gelassener. Die Norweger haben einem EU-Beitritt 1994 eine Absage erteilt, sind aber über die nordische Passunion äußerst eng mit den nordischen EU-Ländern verbunden und mit der EU über die Mitgliedschaft im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Die bürgerliche Ministerpräsidentin, Erna Solberg, hat die Briten vor einem EU-Austritt gewarnt. Zwar könnten sie dann wie die Norweger in der Fischerei und der Landwirtschaft wieder mehr selbst entscheiden, aber eine enge Zusammenarbeit mit der EU sei dennoch unumgänglich. Norwegen leide daran, dass es so eng an EU-Beschlüsse gebunden sei, aber gleichzeitig kein Stimmrecht habe, erläuterte sie den britischen Medien.

Island. Im EWR-Land Island schwimmen den geschwächten EU-Freunden die Felle davon: Das tief EU-kritische Land wollte der EU und vor allem dem sichereren Eurowährungsraum nach dem Bankrott 2008 im Eilverfahren beitreten. Dann gewannen die EU-Gegner schnell wieder die Oberhand. Mit dem Brexit ist ein Beitritt vollends utopisch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.06.2016)

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