Othmar Karas: „Politik ging vor Stimmung in Knie“

Karas: „Bei Ceta sind alle Forderungen Österreichs erfüllt worden.
Karas: „Bei Ceta sind alle Forderungen Österreichs erfüllt worden.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Europaabgeordneter Othmar Karas tritt für einen Abschluss des Handelsabkommens mit Kanada und eine Fortsetzung der Verhandlungen mit den USA über TTIP ein.

Die Presse: Bevor das Abkommen mit den USA überhaupt ausverhandelt wurde, ist der Widerstand so groß geworden, dass nur noch wenig Chance besteht, dass es umgesetzt wird. Was ist da geschehen?

Othmar Karas: TTIP ist mitten in der Verhandlung. Es gibt kein einziges Verhandlungsergebnis. Deshalb kann man die Bedingungen, die wir an die Verhandler gestellt haben, mit denen wir die Sorgen und Ängste der Bevölkerung aufgegriffen haben, noch nicht dem Verhandlungsergebnis gegenüberstellen. Deshalb ist ein Urteil nicht seriös möglich. Österreich ist einer der größten Profiteure jedes Handelsabkommens. Zwei Drittel unseres Wohlstands erwirtschaften wir außerhalb Österreichs. Weil Europa im globalen Wettbewerb zurückfällt und wir insgesamt ein Handelsdefizit haben, ist es gut und richtig, dass wir versuchen, die Globalisierung mitzugestalten.


Wenn es diese Argumente gibt, warum sind dann die Vorbehalte gegenüber diesem Abkommen in der Bevölkerung so groß?

Das Grundproblem ist, wir erleben einen Mangel an politischer Verantwortung der Regierungen in der Information und Kommunikation mit den Bürgern. Die Frage ist, auf welche Seite stellt sich die Politik: Verantwortung übernehmen oder Stimmungen nachgegeben. Wir sind ständig im Spannungsverhältnis zwischen Verantwortungsdemokratie und Stimmungsdemokratie.


Derzeit betrifft das auch den Umgang mit Ceta, dem Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada.

Man hat hier sieben Jahre verabsäumt, die Bürger und Bürgerinnen zu informieren. Alle Bedingungen, die die Mitgliedstaaten an das Abkommen gestellt haben, sind erfüllt worden. Aber es wurde weder über den Auftrag der Regierungen an die Verhandler noch über die Bedingungen noch über das Ergebnis ausführlich informiert. Die Menschen sind mit ihren Ängsten alleingelassen worden. Und jetzt nimmt man diese Stimmung als Grund dafür, dass beispielsweise die SPÖ dieses internationale Abkommen parteipolitisch nutzen möchte. Das ist Flucht aus der Verantwortung. Das Abkommen, das 400 Millionen Euro an Zöllen reduzieren würde, soll nun durch eine Abstimmung innerhalb einer einzelnen politischen Partei in einem von 28 Mitgliedstaaten entschieden werden.


Sie sind für die Umsetzung von Ceta?

Ich bin deshalb für Ceta, weil Handelsübereinkommen, wenn sie gut verhandelt wurden, in unserem Interesse liegen. Der entscheidende Punkt ist immer, sind unsere Bedingungen berücksichtigt worden? Bei Ceta sind alle Forderungen Österreichs und der Europäischen Union in Fragen der Landwirtschaft, Dienstleistungen im öffentlichen Interesse, Beschaffung, Investorenschutz, Schutz geistigen Eigentums erfüllt worden. Es ist nun auch eine Frage der Glaubwürdigkeit, dass wir dieses ausverhandelte Übereinkommen umsetzen.

Bei TTIP, gegen das es ebenso Widerstand gibt, kennen wir heute das Ergebnis allerdings noch nicht.

Ceta und TTIP sind zweierlei Schuhe. Ersteres ist komplett ausverhandelt, bei Letzterem gibt es kein einziges Verhandlungsergebnis. Es ist falsch, beides ständig zu vergleichen. Zur Entscheidung steht jetzt nur Ceta. Das einzig Gemeinsame in beiden Fällen ist, dass die Verantwortlichen besser begründen müssen, was sie tun, besser die Ziele und Bedingungen kommunizieren müssen. Wenn man das nicht tut, entsteht eine Stimmung. Derzeit neigt die Politik dazu, vor der Stimmung und den Boulevardmedien in die Knie zu gehen. Das ist besonders bei TTIP unaufrichtig, weil wir da noch überhaupt kein Ergebnis auf dem Tisch haben.


TTIP sollte Ihrer Ansicht nach also weiterverhandelt werden?

Handelsverträge sollte man verhandeln. Bedingungen kann man nachbessern. Aber bevor nicht klar ist, wie in den Verhandlungen auf die Bedingungen eingegangen wurde, kann man doch keine seriöse Endentscheidung treffen. Wir Europäer mit unseren hohen Standards, unserem Rechtssystem haben ein hohes Interesse daran, dass wir die Benchmark für die Gestaltung der Globalisierung bestimmen.


Welche Nachteile hätte die EU, wenn ein Abschluss solcher Verträge nicht mehr möglich ist?

Die Menschen hätten Nachteile, weil Wachstum und Beschäftigungspotenziale nicht genutzt werden können, die solche gut verhandelten Abkommen bieten. Unsere Glaubwürdigkeit als Verhandlungspartner wäre geschwächt.

Zur Person

Othmar Karas ist der Leiter der Delegation der ÖVP-Abgeordneten im Europäischen Parlament. Seit 1999 ist er EU-Abgeordneter. Von 2012 bis 2014 war der ehemalige Bundesobmann der Jungen ÖVP und spätere ÖVP-Generalsekretär Vizepräsident des Europaparlaments.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2016)

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