EU-Grenzschützer erhalten weitreichende Befugnisse

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BULGARIA-EUROPE-MIGRANTS(c) APA/AFP/DIMITAR DILKOFF
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Die neue Behörde Frontex plus soll Europas Handlungsfähigkeit in der Flüchtlingskrise beweisen.

Brüssel/Sofia. Die neue EU-Grenz– und Küstenschutzbehörde hat am am Donnerstag offiziell ihre Arbeit aufgenommen. Die Behörde geht aus der 2004 gegründeten EU-Grenzagentur Frontex hervor und hat ihren Sitz weiterhin in Warschau. EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos erklärte bei einer Pressekonferenz an der bulgarisch-türkischen Grenze, es handle sich um einen „Meilenstein im europäischen Grenzmanagement“.

2500 Grenzschützer

Mandat und Möglichkeiten von Frontex waren eher begrenzt. So konnte sie keine eigene Ausrüstung kaufen und hatte auch keine ständigen Einsatzkräfte – sie wurden von Fall zu Fall von den Mitgliedstaaten gestellt. Die neue Behörde, Frontex plus, hat weitreichendere Eingriffsbefugnisse. Die Grenzagentur erhält ab Dezember eine ständig bereitstehende Reserve von 1500 Grenzschützern, die in Krisensituationen schnell an die EU-Außengrenzen geschickt werden können. Österreich stellt dabei laut Innenministerium 34 Beamte.

Die Zahl der festen Mitarbeiter wird auf mehr als 1000 verdoppelt. Auch Ausrüstung darf Frontex plus jetzt kaufen. Wichtig sind die erweiterten Eingriffsrechte. So kann bei Gefahr für das normale Funktionieren des Schengen-Raums die EU-Kommission empfehlen, auch gegen den Willen eines Mitgliedstaates einzugreifen. Dazu wird eine Liste mit Maßnahmen erstellt, die das Land umsetzen muss. In der Praxis wird es dagegen kaum vorstellbar sein, dass die EU Frontex-Leute in ein Land schickt, in dem sie nicht mit der dortigen Polizei zusammenarbeiten.

Interessant ist aber ein Passus in den Vereinbarungen: Verweigert ein Mitgliedstaat 30 Tage nach dem Ratsbeschluss weiter die Hilfe, können die anderen Länder Kontrollen innerhalb des Schengen-Raums einführen, um Flüchtlinge an der Weiterreise zu hindern.

Beschleunigte Abschiebungen

Die Rolle der neuen Agentur wird auch auf den Bereich der Rückführung von Flüchtlingen ausgeweitet. Frontex kann jetzt auch auf eigene Initiative Abschiebeflüge organisieren, um die Rückführung abgelehnter Asylwerber zu beschleunigen. Die Behörde soll Regierungen auch stärker dabei unterstützen, Reisedokumente für die Abschiebekandidaten zu besorgen.

Der Direktor der Grenzschutz- und Küstenschutzagentur, Fabrice Leggeri, kündigte Stresstests an den Grenzen an, um die Verletzbarkeit zu eruieren. Außerdem könnten auch Nicht-EU-Staaten, die um Hilfe für ihre Grenzsicherung ansuchen, unterstützt werden.

Der Grenz- und Küstenschutz ist jedoch noch im Aufbau. Am 6. Dezember sollen die schnelle Eingreiftruppe sowie der Ausrüstungspool einsatzfähig sein. Anfang Jänner folgen die Einheiten für schnelle Abschiebungen.

Der amtierende EU-Ratsvorsitzende und slowakische Premier, Robert Fico, sagte am Donnerstag, Frontex plus würde eine neue Realität an den EU-Außengrenzen schaffen. Die Grenz- und Küstenschutzagentur werde dazu beitragen, zurück zum Schengen-System zu kommen. (ag. red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.10.2016)

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