Fekter über Asylpolitik: „Die EU-Kommission schläft“

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
  • Drucken

Innenministerin Maria Fekter warf der Kommission am Montag im Rahmen des Innenministerrates in Brüssel vor, sie schlafe „in der Pendeluhr“, weil sie den Vollzug von EU-Recht in Griechenland nicht kontrolliere.

BRÜSSEL. Mehrere EU-Staaten, allen voran Deutschland und Österreich, verschärfen ihre Kritik an der Europäischen Kommission, weil diese ihrer Ansicht nach nicht streng genug gegen die chaotischen Zustände in griechischen Flüchtlingslagern und die zweifelhafte Zusammenarbeit Italiens mit Libyen bei der Vertreibung von Bootsflüchtlingen aus italienischen Gewässern vorgeht. Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) warf der Kommission am Montag im Rahmen des Innenministerrates in Brüssel vor, sie schlafe „in der Pendeluhr“, weil sie den Vollzug von EU-Recht in Griechenland nicht kontrolliere. Deutschlands Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte mit Hinblick auf Griechenland, es dürfe „nicht den geringsten Zweifel geben, dass Menschenrechtsstandards überall in der EU gelten“. In der EU gibt es seit dem Jahr 2003 die Grundregel, dass man nur im ersten EU-Land, in das man eingereist ist, Asyl beantragen darf. Tut man es anderswo, wird man in dieses Erstland zurückgeschoben.

Griechenland macht die Anwendung dieses Grundsatzes, der in der sogenannten „Dublin-II-Verordnung“ der EU festgeschrieben ist, seit Jahren unmöglich, weil es keine ordnungsgemäßen Asylverfahren garantieren kann, die den Ansprüchen der Genfer Flüchtlingskonventionen entsprechen.

Nur ein Flüchtling anerkannt

So wurde laut Statistik der UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR im ersten Halbjahr 2008 in 8387 erstinstanzlichen Entscheidungen griechischer Asylbehörden nur eine Person als Flüchtling anerkannt. Auch in zweiter Instanz wurde nur 2,45 Prozent der Personen Asyl gewährt.

Der Europäische Gerichtshof hat Griechenland wegen dieser Versäumnisse bereits am 19. April 2007 verurteilt. Geändert hat sich seither wenig. Im Gegenteil: Griechenland hat im heurigen April mit Zypern und Malta bei der EU-Kommission beantragt, die Dublin-II-Verordnung vorläufig nicht anwenden zu müssen.

Auch aus Deutschland erhielt Griechenland einen juristischen Rüffel. Am 9. September ordnete das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe einstweilig an, dass ein irakischer Flüchtling, der bereits in Griechenland um Asyl angesucht hatte, nicht aus Deutschland nach Griechenland abzuschieben sei, weil „ihm in Griechenland eine Registrierung faktisch unmöglich sein und ihm die Obdachlosigkeit drohen“ könnte.

Italien wiederum weist seit Mai dieses Jahres in Zusammenarbeit mit Libyen sämtliche Bootsflüchtlinge auf offener See zurück, ohne zu prüfen, ob diese Menschen nicht berechtigte Gründe für Asyl vorweisen können. Immer wieder schießt dabei die libysche Marine auf Flüchtlingsboote.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.09.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.