Wie Tsipras' Regierung wieder zu Geld kommen will

Griechenlands Ministerpräsident, Alexis Tsipras.
Griechenlands Ministerpräsident, Alexis Tsipras.(c) REUTERS
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Die Grabenkämpfe zwischen Syriza-Ministern und der Privatisierungskasse zeigen, dass sich die Regierung in Athen immer noch schwer mit privaten Investoren tut.

Athen. Fast bescheiden tritt Griechenlands Ministerpräsident, Alexis Tsipras, in letzter Zeit auf internationalem Parkett auf. Seine Forderung nach einer „Erleichterung der Schuldenlast“ stand für den einstigen Volkstribun beim letzten EU-Gipfel vor zwei Wochen in Brüssel weit unten auf der Prioritätenliste. Da hatte der Zugang Griechenlands zum Anleihenkaufprogramm der Europäischen Zentralbank Vorrang. Das sei ein wichtiges Signal an internationale Investoren, dass Griechenland wieder ein sicherer Ort für Kapitalanlagen sei, meint Tsipras.

Doch gerade bei den privaten Investitionen, die für Griechenland so wichtig sind, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen, tun sich die Minister der Regierungspartei, der linken Syriza, immer noch unendlich schwer.

Das zeigt nicht zuletzt der Krieg, der zwischen führenden Ministern der Regierung Tsipras und dem Chef der griechischen Privatisierungskasse, Stergios Pitsiorlas, tobt. Energieminister Panos Skourletis warf dem Chef der Privatisierungsagentur sogar vor, Journalisten zu bestechen, um sich in den Medien Gehör zu verschaffen. Skourletis bezeichnete Pitsiorlas als „Fehlbesetzung“ und warf ihm vor, das Regierungsprogramm mit seiner Politik des „Ausverkaufs“ des Volksvermögens zu hintertreiben.

Die Privatisierungskasse wurde 2011 eingerichtet, um Staatseigentum zu verwerten. Die Einkünfte sollten gänzlich in den Schuldendienst gehen; gleichzeitig sollten die Verkäufe jedoch kapitalstarke Anleger ins Land bringen und der Welt zeigen, dass Griechenland für Großinvestitionen attraktiv ist. In Einzelfällen, wie bei der Vergabe von 14 Regionalflughäfen an die deutsche Fraport oder des Hafens von Piräus an die chinesische Cosco, ist das tatsächlich gelungen.

Insgesamt aber waren die Einnahmen aus der Privatisierung enttäuschend. Noch 2011 wollte man die utopische Summe von 50 Milliarden Euro bis Ende 2015 einspielen – tatsächlich hatte die Kasse im Vorjahr gerade drei Milliarden Euro einkassiert, bis Ende 2018 sollen es, laut dem dritten Rettungsprogramm für Griechenland, weitere 5,8 Milliarden sein.

99 Jahre Zeit für Rückzahlung

Die Gläubiger fanden inzwischen andere Mittel, um den Schuldendienst zu garantieren. Sie erzwangen die Gründung der sogenannten Superkasse, in der ein Großteil des staatlichen Vermögens, inklusive Systembanken und der alten Privatisierungsagentur, gebunden sein wird. Die Hälfte der Einkünfte dieser Kasse wird nicht weniger als 99 Jahre lang an die Gläubiger fließen – da kann man kurzfristige Rückstände beim Privatisierungsprogramm gelassener hinnehmen.

Der alten Privatisierungskasse unter Pitsiorlas wurden dieses Jahr 19 Privatisierungen zugewiesen, die noch nach dem alten Modell durchgeführt werden: Der gesamte Erlös geht an die Gläubiger. Und an diesem Punkt begannen die Probleme mit den Syriza-Ministern: Der Marineminister war unzufrieden mit den Details des Verkaufs von Piräus an Cosco, Skourletis wiederum will vom Verkauf von 17 Prozent der öffentlichen Stromgesellschaft nichts wissen. Auch für die Vergabe von Aktienpaketen des Hafens von Thessaloniki sowie der Wassergesellschaften von Athen und Thessaloniki soll Pitsiorlas Sorge tragen – was ihn Syriza-Kadern nicht sympathischer macht.

Bestens vertraut mit den Genossen

Doch der Manager, der sich bisher unter anderen mit EU-Fördermitteln, erneuerbarer Energie und Hotelprojekten beschäftigt hat, ist ein harter Brocken. Die europäischen Gläubiger stützen ihn, vor allem aber ist er bestens vertraut mit seinen widerspenstigen Genossen. Saß er doch selbst im Zentralkomitee des Synaspismos, der Vorgängerpartei von Syriza. Ihm sei es lieber, Immobilien zu verkaufen und Staatsbetriebe zu privatisieren als Pensionen und Sozialleistungen zu kürzen, ließ er verlauten.

Hintergrund der persönlichen Querelen ist jedoch ein Richtungsstreit innerhalb der Führungsriege von Syriza, der auch beim Parteitag im vergangenen Monat sichtbar wurde. Die einen wollen die Privatisierungen vorantreiben – koste es, was es wolle –, um endlich die angestrebte Schuldendiskussion zu beginnen. Die anderen wollen keine Privatisierungen in „strategischen Bereichen“ wie Wasser und Strom zulassen. Ihr Wortführer ist ausgerechnet der in Brüssel so beliebte Finanzminister Euklides Tsakalotos.

Für langfristige Restrukturierung

Tsakalotos steht für die sogenannten 53+, eine Syriza-Plattform, die mitunter auch gegen Parteichef Tsipras und seinen engsten Kreis stimmt. Am Syriza-Parteitag im Oktober wurde der Wirtschaftsprofessor und Pro-Europäer an erster Stelle in das Zentralkomitee der Partei gewählt – ein Kunststück für einen Finanzminister.

Einerseits focht er in der Öffentlichkeit für die Einführung der „Superkasse“, da sie eine langfristige Restrukturierung der Staatsbetriebe ermögliche, andererseits aber ist er strikt gegen eine Abgabe des staatlichen Managements von Energiebetrieben – die Gestaltung der Strompreise etwa oder die Kontrolle des Leitungssystems müssten dem Staat vorbehalten bleiben, fordert Tsakalotos.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.11.2016)

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