EU: Der Toaster als politische Waffe

(c) Bilderbox
  • Drucken

Die EU-Kommission versucht, Populisten den Wind aus den Segeln zu nehmen, indem sie beliebte Haushaltsgeräte von der Verpflichtung zum Stromsparen ausnimmt.

Brüssel. Sie ist eine beliebte Zielscheibe für Europagegner, die gern die angebliche Regulierungswut der EU-Kommission anprangern – die Ökodesign-Richtlinie, die (unter anderem) den maximalen Energieverbrauch von Haushaltsgeräten regelt. Während Umweltschützer und Industrieverbände die Regulierung grundsätzlich begrüßen, dient sie in den Augen ihrer Kritiker hauptsächlich dazu, den Europäern ihre lieb gewonnenen Haushaltsgeräte wegzunehmen und durch schlechtere, dafür aber teurere Alternativen zu ersetzen.

Bemühungen, den Stromverbrauch im Alltag zu reduzieren, gibt es bereits seit den 1990er-Jahren. Die Ökodesign-Richtlinie, die eine Vielzahl von Produktkategorien umfasst, wurde 2009 beschlossen – seither werden die Auflagen sukzessive eingeführt und erhöht. So soll beispielsweise die Höchstleistung von Staubsaugern 2017 von derzeit 1600 auf 900 Watt sinken. Bereits in Kraft getreten ist die Stand-by-Funktion für Kaffeekocher, auch traditionelle Glühbirnen (die nur fünf Prozent ihres Stromverbrauchs in Licht und die restlichen 95 Prozent in Wärme umwandeln) sind bereits aus dem Verkehr gezogen. Allein das Glühbirnenverbot soll nach Angaben der Kommission den jährlichen Stromverbrauch in der EU um 39 Terawattstunden senken.

Sechs Produktkategorien

Da die Ökodesign-Richtlinie integraler Bestandteil aller europäischen Klimaschutzverpflichtungen ist, müsste man meinen, dass die Brüsseler Behörde nichts unversucht lässt, um ihren regulatorischen Aktionsradius zu erweitern. Dem ist allerdings nicht so. Am gestrigen Dienstag stellten die für die Materie zuständigen Kommissionsvizepräsidenten, Jyrki Katainen und Frans Timmermans, die weiteren Pläne vor. Demnach sollen sechs weitere Produktkategorien zu Energieeinsparungen verpflichtet werden: Handtrockner, Wasserkocher, Aufzüge, Solarpaneele, Kühlcontainer sowie Haustechniksysteme. Die Details der Gesetzesinitiative sollen bis Jahresende vorgelegt werden – Rat und Europaparlament müssen dann wie üblich zustimmen.

Auffallend ist, dass zwei Produkte nicht in der Liste der Kommission inkludiert sind, obwohl man sie ursprünglich umweltverträglicher gestalten wollte: Föhne und Toaster. Vizepräsident Timmermans erklärte diese Tatsache gestern damit, dass der Energieumsatz von Toastern nicht hoch genug sei, um eine Regulierung zwingend zu machen.

Technisch mag dies zwar zutreffen, es gibt allerdings auch eine zweite Erklärung: Toaster sind eine bessere politische Waffe als Kühlcontainer oder Aufzüge. Diese Ansicht vertritt zumindest Jean-Claude Juncker. Ende Oktober ersuchte der Präsident der Brüsseler Behörde seine Kommissare intern um mehr Zurückhaltung bei der Regulierung von Haushaltsgeräten wie Toastern, um Populisten keine zusätzliche Munition zu liefern. Die Sorge ist nicht gänzlich unberechtigt, denn die Vorgaben für Staubsauger haben etwa in Großbritannien zu einem Aufschrei geführt – und den bekannten Erfinder und Staubsaugerproduzenten James Dyson dazu veranlasst, für den EU-Austritt seines Landes zu werben. Auch das schrittweise Verkaufsverbot traditioneller Glühbirnen wurde zum PR-Debakel. Angesichts der aufgeschaukelten Lage und der grottenschlechten Imagewerte der EU will man in Brüssel nicht neuerlich negativ auffallen.

Aus der umweltpolitischen Perspektive ist Ökodesign erstens ein Erfolg und zweitens notwendig, um die selbst gesteckten Klimaschutzziele zu erreichen. Nach Kommissionsangaben geht knapp die Hälfte der bis 2020 erzielten Einsparungen beim Stromverbrauch auf das Konto dieser Richtlinie. Zudem wäre ohne sie die Emission umweltschädlicher Gase in der EU um rund ein Viertel höher. Ziel der Kommission ist eine jährliche Ersparnis von knapp 500 Euro beim Stromverbrauch eines durchschnittlichen europäischen Haushalts. 2020 soll die Ökodesign-Richtlinie so viel Strom einsparen, wie Italien pro Jahr verbraucht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.11.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.