EU-Verträge: Irland stimmt ab, Österreich streitet

(c) Reuters (Francois Lenoir)
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Während Irland über den Lissabon-Vertrag entscheidet, streitet Österreich über künftige EU-Referenden. Höchstrichter-Plädoyer für fixe Volksbefragungen: SPÖ erfreut, ÖVP ablehnend, Juristen überrascht.

Europa blickt gebannt auf den irischen Volksentscheid über den Lissabon-Vertrag: Nach der Bekanntgabe des Endergebnisses am heutigen Samstag wird feststehen, wie es mit Europa weitergeht. Österreich ist inzwischen bereits mit einer Debatte über Volksabstimmungen bei künftigen EU-Verträgen beschäftigt. Ins Rollen gebracht hat die aktuelle Diskussion ein Mann, der sich mit politischen Äußerungen in der Regel sehr zurückhält: Gerhart Holzinger, Präsident des Verfassungsgerichtshofs (VfGH).


Holzinger hat am Donnerstag anlässlich seiner Rede zum Verfassungstag gefordert, dass über wichtige EU-Verträge künftig Volksabstimmungen in allen EU-Ländern abgehalten werden. Man müsse die Menschen auf dem Weg zur europäischen Integration „mitnehmen“, so Holzinger. Die schwarze Reichshälfte reagierte am Freitag betont kühl. „Ich habe eine völlig andere Meinung“, erklärte etwa Außenminister Michael Spindelegger. „Man sollte keine Volksabstimmungen über so komplizierte Regelwerke durchführen“, sagte der ÖVP-Minister.

Die SPÖ fühlt durch Holzingers Aussagen hingegen Rückenwind. „Der Bundeskanzler sieht sich in seiner Linie bestätigt“, hieß es aus dem Kabinett von Werner Faymann. Bei neuen EU-Verträgen werde man jedenfalls auf eine nationale Volksabstimmung drängen. Die Bedeutung der neu entflammten Diskussion ist nicht zu unterschätzen: Schließlich hat die ÖVP der SPÖ wegen deren Forderung nach Volksabstimmungen bei EU-Verträgen in der letzten Legislaturperiode die Koalition aufgekündigt.

„Hätte Äußerung nicht getätigt“


Aber nicht nur unter Politikern, auch unter Juristen sorgten Holzingers Aussagen für Aufregung. Soll ein Höchstgerichtspräsident zu brisanten politischen Fragen so deutlich Stellung nehmen? „Der Stil hat mich überrascht. Das ist eine Äußerung, die ich so nicht getätigt hätte“, meint etwa der Wiener Jus-Dekan Heinz Mayer. Auch VfGH-Vizepräsidentin Brigitte Bierlein ging mit ihrem Präsidenten hart ins Gericht und erklärte, derartige Äußerungen würden nicht in das Aufgabengebiet Holzingers fallen.

Verteidigt wurde Holzinger von Clemens Jabloner, dem Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs: „Der Verfassungstag ist durchaus ein Forum, um sich verfassungspolitisch zu äußern“, betonte Jabloner. Auch Holzingers Amtsvorgänger Ludwig Adamovich und die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs, Irmgard Griss, sahen keinen Grund für Kritik am VfGH-Chef.


 Pikant ist freilich, dass der Verfassungsgerichtshof selbst noch über die Rechtmäßigkeit des Lissabon-Vertrags entscheiden muss. Die FPÖ hat angekündigt, den Vertrag sofort nach Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt beim VfGH anzufechten, weil dieser nur vom Parlament und ohne Volksabstimmung beschlossen wurde. „Holzinger schwenkt auf die FPÖ-Linie ein“, jubelte der freiheitliche Verfassungssprecher Harald Stefan sogleich. Allerdings: Holzinger hat in seiner Rede deutlich gemacht, dass seine Forderung nach Volksabstimmungen nur für künftige EU-Integrationsschritte und nicht für den aktuellen Lissabon-Vertrag gelte. Überdies will Holzinger seine Äußerungen als politische und nicht als rechtliche Meinung verstanden sehen. Beim Lissabon-Vertrag muss der VfGH rein juristisch entscheiden, ob dieser die österreichische Verfassung so stark veränderte, dass eine Volksabstimmung nötig wäre.


Auch unter Österreichs EU-Parlamentariern in Brüssel waren die Äußerungen Holzingers am Freitag Gesprächsthema: „Für mich ist unklar geblieben, welche Vertragsänderungen Holzinger meint“, sagte die grüne EU-Mandatarin Ulrike Lunacek. Wörtlich hatte der VfGH-Präsident davon gesprochen, dass „künftighin wichtige Integrationsschritte in den einzelnen Mitgliedstaaten der direktdemokratischen Entscheidung unterworfen werden müssen“. Für eine Präzisierung seiner Äußerungen war Holzinger am Freitag nicht erreichbar. Klar ablehnend fiel die Reaktion des ÖVP-Europaabgeordneten Othmar Karas aus. „Nationale Referenden über EU-Verträge machen keinen Sinn“, meinte Karas, der eine europaweite Volksabstimmung will. 


Dass das Thema Volksabstimmung die Koalition wieder sprengt, glaubt man aber in der ÖVP nicht. „Wenn Lissabon wirklich scheitern sollte, brauchen wir in den nächsten Jahren über keinen neuen Vertrag nachdenken“, so Außenminister Spindelegger.

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