Zu früh gefreut: Václav Klaus bremst EU-Vertrag

Vaclav Klaus
Vaclav Klaus(c) EPA (FILIP SINGER)
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Obwohl die Iren den EU-Vertrag mit zwei Dritteln abgesegnet haben, ist die Institutionenreform längst nicht gesichert. Es braucht die Unterschrift des tschechischen Präsidenten Klaus. Doch dieser rebelliert.

Kaum sind die Freudentränen in Brüssel nach dem irischen Ja zum EU-Vertrag getrocknet, da sind sich die EU-Partner dessen bewusst, dass der Vertrag noch lange nicht durch ist. Denn nach der irischen Zustimmung zum Reformvertrag beim Referendum am Freitag, die sogar 67,1 Prozent ausgemacht hat, braucht es jetzt noch die Unterschriften des tschechischen Präsidenten Václav Klaus und seines polnischen Amtskollegen Lech Kaczynski.

Während Kaczynski bereits unmittelbar nach der Volksabstimmung in Irland klargemacht hat, dass er den Vertrag bald – voraussichtlich schon diese Woche – unterzeichnen werde, schaltet Václav Klaus, der ewige EU-Rebell, wieder einmal auf stur: Ob und wann er unterschreiben werde, ließ er am Wochenende erneut offen.

Bereit zur Demonstration

Als echte Provokation muss es von den EU-Partnern aufgefasst worden sein, dass sich Klaus noch am Samstagabend in eine Demonstration gegen den EU-Vertrag in Prag mischte. Ein paar hundert Gegner hatten sich auf den Weg zu seinem Amtssitz auf der Burg der Stadt gemacht, wo sie ihn zum Durchhalten gegen den Lissabon-Vertrag ermutigten. „Bleiben Sie standhaft“, diesen Appell der Menge könnte Klaus im Finale der Mitgliedsländer um den EU-Vertrag wörtlich nehmen und sich als Einziger gegen Lissabon stellen.

Der Vertrag würde die EU moderner und Abstimmungen unter den Ländern leichter machen – um den Preis von weniger Vetorechten, was Václav Klaus sauer aufstößt. Dafür gäbe es neue „Topjobs“ in Europa: einen aufgewerteten „EU-Außenminister“ und einen gestärkten Ratspräsidenten, der den Staats- und Regierungschefs der EU mindestens zweieinhalb Jahre vorsitzen würde, nicht mehr nur ein halbes Jahr. Die EU würde als globaler Akteur an Gewicht gewinnen.

Kommission muss zittern

Doch der tschechische Präsident wird es seinen EU-Partnern nicht leicht machen. Dabei läuft die Zeit: Je schneller der EU-Vertrag europaweit ratifiziert ist, desto eher kann die EU-Kommission in neuer Formation starten. Eigentlich läuft ihre Amtszeit im November aus, doch spekuliert man in Brüssel mit einer möglichen Verlängerung bis Ende des Jahres. Ist bis dahin Lissabon durch, könnte die nächste Kommission im Jänner nach den neuen Grundlagen starten.

Nur die erlauben es der Kommission, weiterhin aus einem Mitglied pro Land zu bestehen. Auch das EU-Parlament könnte sich mit Lissabon über mehr Mitsprache von der Budget- über die Agrar- bis zur neu vergemeinschafteten Justiz- und Innenpolitik freuen.

Außer in Polen und Tschechien, überall sonst hat das Dokument bereits die nationalen Parlamente und Präsidentensitze passiert. Polen ist gewillt. Und auch die tschechische Übergangsregierung unter Premierminister Jan Fischer begrüßte das Ja der Iren im zweiten Anlauf. Fischer will den Vertrag, er bemühte sich, den großen Rest Europas zu beruhigen: Bis Ende des Jahres werde Klaus ratifizieren. Sicher scheint man sich dessen im Kabinett aber nicht zu sein, wie in Tschechien verlautete.

Dazu kommt, dass beim Verfassungsgericht eine neue Klage von 17 Senatoren gegen den Vertrag anhängig ist. Mindestens einen Monat wird es bis zum Erkenntnis dauern. Für Klaus ist das eine willkommene Entschuldigung, die Ratifizierung des Vertrags in seinem Land auf die lange Bank zu schieben. Den britischen Tories gibt das Hoffnung: Kommen sie im Frühjahr 2010 an die Macht und ist Lissabon bis dahin nicht umgesetzt, versprechen sie eine Volksabstimmung im Land (siehe rechts).

Neue Krise befürchtet

Verweigert Klaus seine finale Unterschrift oder zögert er sie zu lange hinaus, scheint der EU-Vertrag also tot. Die EU würde wie nach dem ersten irischen Nein im Vorjahr in eine neue Krise stürzen.

So schnell wird man unter den EU-Ländern dann nicht mehr auf einen Nenner kommen, wenn es um einen neuen EU-Vertragstext geht, der für alle akzeptabel scheint.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.10.2009)

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