Weniger Geld für EU-Ausländer

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Ausländische Arbeitnehmer müssen künftig mindestens drei Monate gearbeitet haben, bevor sie ihre Dienstzeiten im EU-Ausland für das Arbeitslosengeld anrechnen dürfen.

Brüssel. Es ist gut dreieinhalb Jahre her, seit die Innenminister Großbritanniens, Deutschlands, der Niederlande und Österreichs in einen Brief gefordert haben, die Personenfreizügigkeit umzugestalten, um Sozialtourismus vorzubeugen. „Diese Art von Immigration bedroht unser gemeinsames Ziel, die Freizügigkeit von Arbeitnehmern, Studenten und Firmengründern zu fördern“, schrieben die Ressortchefs an den damaligen EU-Ratsvorsitzenden Irland.

Am Dienstag kam die EU-Kommission auf die damalige Initiative zurück: Die für Sozialfragen zuständige Kommissarin, Marianne Thyssen, stellte in Straßburg ein Paket zur Abstimmung von Sozialleistungen innerhalb der EU vor. Ein Element des Maßnahmenbündels: Einwanderer, die wirtschaftlich inaktiv sind, können sich nur dann legal im Gastgeberland aufhalten, wenn sie über genug finanzielle Mittel zur Selbstversorgung verfügen und krankenversichert sind. Eine weitere Verschärfung betrifft ausländische Arbeitnehmer, die um Arbeitslosengeld ansuchen: Um sich ihre Dienstzeiten im EU-Ausland anrechnen zu lassen, müssen sie nun mindestens drei Monate im Inland gearbeitet haben. Nach Berechnungen der Kommission trifft diese Verschärfung immerhin rund 40 Prozent aller arbeitslosen EU-Ausländer.

Mit den Vorschlägen reagiert die Brüsseler Behörde nicht nur auf politische Entwicklungen, sondern auch auf den Europäischen Gerichtshof. Der EuGH hat sich in mehreren Urteilen für einen restriktiveren Zugang zu Sozialleistungen für EU-Ausländer ausgesprochen – so wurde Mitte Juni eine Klage der Kommission gegen die britische Regierung wegen der Auszahlung von Kindergeld zurückgewiesen. Die Luxemburger Richter waren der Ansicht, dass London nur jenen EU-Ausländern Kindergeld überweisen muss, die ein Recht auf Aufenthalt in Großbritannien haben. Die Brüsseler Behörde war diesbezüglich anderer Meinung. Und in einem Urteil aus dem Jahr 2015 wurde der deutschen Regierung das Recht zugestanden, den Anspruch von arbeitslosen EU-Ausländern auf Aufenthalt und Sozialhilfe auf maximal sechs Monate zu beschränken, sofern die Betroffenen in Deutschland weniger als ein Jahr beschäftigt waren.

Österreich ist noch strikter

Für Österreich gibt es diesbezüglich übrigens keinen Anpassungsbedarf, denn hierzulande gibt es Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung nach mindestens 52 Wochen Beschäftigung über der Geringfügigkeitsgrenze.

Doch zurück zum Kindergeld: Dem österreichischen Ansinnen einer Indexierung der Kinderbeihilfe erteilte die Brüsseler Behörde eine Abfuhr. Kinder im EU-Ausland, deren Eltern in Österreich arbeiten, sollen weiterhin den Anspruch auf Familienbeihilfe in voller Höhe haben. Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) hat im November gefordert, die Höhe der Familienbeihilfe an das Preisniveau der Herkunftslandes anzupassen. Nach österreichischen Kalkulationen wird pro Jahr Familienbeihilfe im Umfang von rund 250 Mio. Euro ins EU-Ausland überwiesen – und zwar vor allem nach Ungarn, die Slowakei und Polen. Eine Indexierung würde den Sozialhaushalt laut Karmasin um rund 100 Mio. Euro entlasten. Die Kommission wiederum argumentiert, dass EU-weit weniger als ein Prozent aller Kinder Zuschüsse aus dem Ausland erhält und die Indexierung mit erheblichem bürokratischen Aufwand verbunden wäre – denn die Zahlungen müssten für jedes Land immer wieder neu berechnet werden, um die Entwicklung der Lebenshaltungskosten abzubilden.

Die Indexierung war ein Zugeständnis der EU an den damaligen britischen Premierminister David Cameron im Vorfeld des Brexit-Referendums. Nach dem Austrittsvotum wurde das Angebot zurückgezogen – gegen den Wunsch Österreichs. Karmasin sprach sich gestern dafür aus, die Indexierung „im Notfall“ ohne Zustimmung der EU einzuführen. Koalitionspartner SPÖ plädiert indes für Zurückhaltung und warnt vor Alleingängen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2016)

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