Kein Happy End für Zuwanderer

 Valletta feiert seit dem Jahreswechsel seine EU-Präsidentschaft – mit durchaus ernsten Untertönen.
Valletta feiert seit dem Jahreswechsel seine EU-Präsidentschaft – mit durchaus ernsten Untertönen.REUTERS
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Malta erwartet einen neuen Ansturm über das Mittelmeer und erklärt deshalb die Rückführung in sichere Herkunftsländer zur obersten Priorität des Halbjahrs.

Valletta. Für gewöhnlich dient die feierliche Eröffnung eines EU-Vorsitzes dazu, das kulturelle Erbe des neuen Vorsitzlandes in ein möglichst vorteilhaftes Licht zu rücken. Insofern wäre es nicht überraschend gewesen, hätte Malta, das kleinste EU-Mitglied und seit Jahresbeginn Vorsitzender des Rats der EU, in kultureller Hinsicht besonders dick auftragen wollen. Doch Mittwochabend waren in Valletta leise Töne angesagt, im Konzertsaal am oberen Ende der pittoresken Altstadt trat die Kunst in den Dienst der Politik: Begleitet vom Philharmonieorchester der Insel, führte das Tanztheater Zfinmalta ein eigens für den Anlass komponiertes Stück über das Schicksal jener Menschen auf, die in der Hoffnung auf ein besseres Leben übers Mittelmeer Richtung Europa flüchten. Es endete, wenig verwunderlich, ohne ein Happy End.

Die Prioritäten des maltesischen Ratsvorsitzes werden sowohl durch die geopolitische als auch durch die geografische Lage bedingt: Malta liegt auf halber Strecke zwischen Libyen, dem Ausgangspunkt der Flüchtlingsroute übers zentrale Mittelmeer, und Italien, dem gelobten Land vieler Flüchtlinge. Nachdem Anfang 2016 die Balkanroute geschlossen und ein Deal mit der Türkei fixiert wurde, wird der Weg übers Mittelmeer wieder intensiver genutzt: Im vergangenen Jahr wagten nach Angaben der Vereinten Nationen rund 181.000 Menschen die Überfahrt nach Italien, 4527 kamen dabei ums Leben – und seit Jahresbeginn zählte UNHCR bereits 728 Neuankömmlinge in Italien und knapp 400 in Griechenland.

Für Maltas Regierungschef, Joseph Muscat, hat das Management der Flüchtlingskrise oberste Priorität. Für den Inselstaat selbst ist die Lage momentan wenig dramatisch, denn aufgrund eines Arrangements mit dem benachbarten Italien werden so gut wie keine Bootsflüchtlinge nach Malta gebracht. Doch die Aussichten sind alles andere als gut: „Im kommenden Frühjahr wird die Zahl der Mittelmeerflüchtlinge auf Rekordhöhe klettern“, prognostizierte der maltesische Premierminister am gestrigen Donnerstag. Spätestens dann werde die EU zum Handeln gezwungen sein. Als einziges probates Mittel, um die Situation in den Griff zu kriegen, sieht Muscat ein Abkommen mit der (momentan hauptsächlich auf Papier bestehenden) offiziellen Regierung Libyens. Eine entsprechende Kooperation der Italiener müsse auf europäischer Ebene – und mit EU-Geldern – unterstützt werden, damit die Flüchtlingsboote bereits in libyschen Hoheitsgewässern aufgegriffen (und im Idealfall zurückgeschleppt) werden können. Für Muscat geht es dabei nicht so sehr um die Zahl der tatsächlichen Rückführungen, sondern vielmehr um die Symbolik. Analog zum Türkei-Abkommen müsse das Geschäftsmodell der Menschenschmuggler zerstört werden.

Die Flüchtlingskrise ist aber nur eine von vielen Baustellen, mit denen sich der frischgebackene Ratsvorsitzende (Malta, das der EU 2004 beigetreten ist, kommt diese Ehre zum ersten Mal zuteil) konfrontiert sieht. Mindestens ebenso wichtig ist das Management der Austrittsverhandlungen mit Großbritannien. Muscat sieht die EU-27 geeint in der Absicht, den Briten einen Deal anzubieten, der schlechter sein muss als die Mitgliedschaft. Auch für großzügige Fristen zur Loslösung kann er sich nicht erwärmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2017)

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