Lobbyisten-Register bleibt zahnlos

(c) AP (Boris Grdanoski)
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Seit Juni 2008 gibt es ein Lobby-Register bei der EU-Kommission. Der Eintrag ist allerdings freiwillig, negative Sanktionen gibt es nicht. 2106 Interessenvertreter haben sich bis dato eingetragen.

BRÜSSEL. Die Europäische Kommission hält es weiterhin nicht für nötig, dass sich Lobbyisten verpflichtend in ein öffentlich zugängliches Register eintragen. Zwar stellte sie am Mittwoch einige kleine Änderungen am seit Juni 2008 bestehenden freiwilligen Register vor, deren wichtigste darin besteht, dass Interessenvertreter im Rahmen ihres Eintrages angeben müssen, wie viele Mitarbeiter bei den europäischen Institutionen lobbyieren. Von einer Pflicht zur Eintragung hält der scheidende zuständige EU-Kommissar Siim Kallas aber nichts. „Ich selber als Erster“, sagte Kallas am Mittwoch bei einer Pressekonferenz auf die Frage, wer denn gegen eine Pflicht zum Eintrag sei.

2106 eingetragene Lobbyisten

Seit Juni 2008 können sich Brüssels unzählige Lobbyisten und Interessengruppen freiwillig in ein Register der Kommission eintragen (siehe Internethinweis). Das betrifft all jene, zu deren Geschäft es gehört, „auf die Politikgestaltung und den Entscheidungsprozess der europäischen Organe und Einrichtungen Einfluss“ zu nehmen, worunter zum Beispiel die Kontaktaufnahme mit Kommissionsbeamten, das unaufgeforderte Versenden von Positionspapieren oder die Ausrichtung von Lobby-Veranstaltungen zu verstehen sind, die „guten Wind“ für die eigenen Interessen beziehungsweise jene der Auftraggeber machen sollen. Solche Events gibt es täglich sonder Zahl.

Allein im Foyer des International Press Centre, wo zahlreiche Medien, so auch „Die Presse“, ihre Büros haben, finden täglich Empfänge diverser Thinktanks und Lobbyorganisationen statt.

2106 Lobbyisten sind per 28. Oktober bei der Kommission registriert, von Konzernen wie Volvo über Beratungsfirmen wie Pleon Europe bis zu Wirtschaftsverbänden wie dem Deutschen Raiffeisenverband. Die Kommission sieht das als Zeichen des Erfolgs ihres freiwilligen Zugangs. Die oft geäußerte Kritik, in Brüssel gebe es rund 15.000 Lobbyisten, sei ungenau formuliert. Denn damit sei die Zahl der Einzelpersonen gemeint, die Lobbying betreiben, nicht aber die Zahl der Verbände und sonstigen Organisationen.

Anwaltskanzleien sind bisher allerdings kaum im Register vertreten. Derzeit sind es gerade elf. Branchenriesen wie DLA Piper oder Freshfields fehlen. Das liegt daran, dass man zumindest rudimentäre Angaben über seine wichtigsten Klienten machen muss, wenn man in das Lobby-Register aufgenommen werden will. Dazu zählt zum Beispiel die Information, welche Lobbying-Kunden den meisten Umsatz bringen.

Es geht ums Geld

Angaben über die Umsätze mit einzelnen Klienten scheut jeder Anwalt wie der Teufel das Weihwasser, darum die kleine Zahl an registrierten Kanzleien. Die Kommission schlägt nun vor, dass noch genauer zwischen reiner Rechtsberatung und Lobbying getrennt wird. Sprich: Wer nur juristisch berät, braucht sich nicht registrieren zu lassen.

Bloß galt das schon bisher. Und der Hauptgrund dafür, dass sich viele Lobbyisten vor einer Eintragung drücken, liegt anderswo. Wenn sich eine PR-Firma eintragen lassen will, musste sie unter anderem schon bisher angeben, welches Gewicht ihre Klienten gemessen an ihrem gesamten Umsatz haben. Das geschieht entweder in Schritten von 50.000 Euro oder von zehn Prozentpunkten. Damit wollte die Kommission erreichen, dass der relative Anteil der einzelnen Klienten sichtbar wird. In der Praxis sind diese Angaben aber oft wenig aufschlussreich.

Und so fehlen weiterhin große Konzerne wie Heineken, die regelmäßig mit der Kommission in Kontakt treten, etwa in Wettbewerbsverfahren. Die Anfrage der „Presse“, wieso Heineken nicht ins Register möchte, blieb unbeantwortet, der Verband der Europäischen Lebensmittel- und Getränkeindustrie (CIAA) prüft noch, ob er sich eintragen soll.

https://webgate.ec.europa.eu/

AUF EINEN BLICK

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2106 Interessenvertreter haben sich bis dato eingetragen. Damit ihnen weitere folgen, hat die Kommission am Mittwoch Reformen vorgeschlagen. Eine Pflicht zur Registrierung gibt es aber weiterhin nicht.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2009)

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