EU-Erweiterung: Mehrheit für Türkei-Verhandlungen

(c) AP (Osman Orsal)
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Die Bürger der fünf größten EU-Staaten sind mehrheitlich dafür, EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei fortzusetzen. Gleichzeitig sind die meisten aber gegen einen Beitritt.

BRÜSSEL.Eine Umfrage unter Briten, Deutschen, Franzosen, Spaniern und Polen hat ergeben, dass derzeit eine relativ klare Mehrheit dafür ist, die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei fortzusetzen. 58 Prozent der befragten Bürger in den fünf größten Mitgliedstaaten der Union waren der Ansicht, dass „es unfair wäre, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei jetzt abzubrechen“. 31 Prozent sprachen sich dafür aus, die Verhandlungen zu beenden.

Gleichzeitig würden sich 52 Prozent in einer Volksabstimmung gegen den Beitritt der Türkei aussprechen. 41Prozent würden dafür stimmen, dass die Türkei ein EU-Mitglied wird. In Spanien und Polen war jeweils mehr als die Hälfte für den türkischen Beitritt; in Großbritannien, Deutschland und Frankreich waren hingegen jeweils mindestens 60 Prozent dagegen.

Die Umfrage wurde vom Zentrum für Europastudien an der Istanbuler Bo?aziçi-Universität gemeinsam mit der Universität von Granada und der Autonomen Universität von Madrid durchgeführt und von der EU-Kommission finanziert im Brüsseler Büro der türkischen Wirtschaftsvereinigung Tüsiad vorgestellt. Sie fußt auf der Befragung von jeweils rund 1000 Menschen in jedem der fünf Länder im August und September.

Demokratie wichtigster EU-Wert

Die Vorstellung der Umfrage fiel just auf den Tag, an dem eine sehr türkeikritische Aussage des belgischen Premierministers Herman Van Rompuy aus dem Jahr 2004 bekannt wurde. Van Rompuy wurde als aussichtsreicher Kandidat für den Posten des EU-Ratspräsidenten gehandelt – dieser soll den Standpunkt der Union in internationalen Organisationen und auf internationalen Konferenzen vertreten. Van Rompuy hatte als Oppositionspolitiker in einer Debatte im belgischen Parlament gesagt, dass die „Türkei kein Teil von Europa ist und nie ein Teil von Europa sein wird“. Er fügte hinzu, dass die „allgemeinen Werte, die in Europa gelten, und die auch Grundwerte des Christentums sind, mit dem Beitritt eines großen islamischen Landes wie der Türkei ihre Kraft verlieren würden“.

„Christentum“ galt allerdings nur 6,3 Prozent der befragten EU-Bürger als „Wert, der mit der europäischen Identität assoziiert wird“. 43,3Prozent nannten dagegen „Demokratie und Menschenrechte“, 42,2Prozent „wirtschaftliche Entwicklung und soziale Wohlfahrt“, 21 Prozent „Toleranz für verschiedene Ansichten und Lebensweisen“ und 20,6 Prozent „Gleichheit zwischen Mann und Frau“ als Grundlagen der europäischen Identität.

Entsprechend nannten jeweils rund 60 Prozent die Einhaltung der Menschenrechte und den Beitrag zum Wohlstand in Europa als wichtigste Kriterien, die ein Beitrittskandidat mitbringen müsse.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.11.2009)

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