Hahn als EU-Kommissar: Der 350-Milliarden-Euro-Job

(c) Reuters (Herwig Prammer)
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Johannes Hahn hat als Regionalkommissar ein Drittel des EU-Budgets zur Verfügung. Damit kann er viel bewegen – wenn er schnell eigene Ideen entwickelt. Er wird gegen den Missbrauch der EU-Fonds kämpfen müssen – und sich damit mächtige Feinde machen.

Ich halte eine Währungsunion nicht für möglich, solange die Unterschiede zwischen den verschiedenen Regionen Europas bestehen“, hat Albert Borschette, EU-Kommissar für Regionalpolitik, im Jahr 1971 gesagt.

Die Währungsunion gibt es mittlerweile. Doch Europa ist noch immer ein Kontinent krasser Unterschiede. Die Luxemburger, Borschettes Landsleute, sind siebenmal reicher als die Rumänen. Die Bewohner der City of London haben – trotz Finanzkrise – ein viermal so hohes Einkommen wie der Durchschnitt der Unionsbürger. Wer hingegen im Nordosten Rumäniens lebt, verdient nicht einmal ein Viertel des europäischen Mittelwerts.

Große Umverteilungsmaschine

Diese Unterschiede einzuebnen liegt künftig zu einem Gutteil in den Händen eines Österreichers. Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) wird als EU-Kommissar für Regionalpolitik für ein jährliches Budget von rund 50 Milliarden Euro zuständig sein.

Jeder dritte Euro im EU-Haushalt untersteht seinem Ressort. 170 Millionen Menschen leben in europäischen Gegenden, die Mittel aus den Struktur-, Kohäsions- und sonstigen Fonds erhalten: also jeder dritte Europäer.

Damit kann man viel anfangen. Vorausgesetzt, man hat gute Ideen. Denn bisher fließen diese Summen nur allzu oft von der einen Hand in die andere. „Strukturfonds verteilen zu einem Großteil Ressourcen zwischen Individuen innerhalb ein und derselben Region“, stellte die Ökonomin Indhira Santos von der Brüsseler Denkfabrik Bruegel heuer in einer Studie fest. In Spanien, das einer der größten Nettoempfänger dieser Subventionen ist, stammten 80Prozent der verteilten Strukturfondsmittel unter dem Strich aus Spanien selbst. Zwei Drittel davon wurden innerhalb der Region umverteilt.

Hahn wird sich sehr schnell Gedanken darüber machen müssen, wie er diese Umverteilungsmaschine reparieren will, sagte Jean Pisani-Ferry, der Direktor von Bruegel, zur „Presse“. „Jetzt ist der beste Zeitpunkt dafür, sich die großen Themen vorzunehmen. Später hat man dann ohnehin alle Hände voll zu tun mit den kleinen.“

Im Budgetzeitraum 2007 bis 2013 stehen 348 Milliarden Euro für die Regionalpolitik zur Verfügung. Hahn wird also einerseits die bisherigen Programme verwalten, andererseits aber Ideen einbringen müssen, wie Europas Strukturpolitik ab 2014 aussehen soll. Da lauern einige Minenfelder auf ihn. Denn erstens fließen noch immer zu viele Mittel entweder in reiche Regionen armer Länder oder in arme Regionen reicher Länder, die sich selbst helfen könnten. Pisani-Ferry hält es für sinnvoll, sich künftig auf die ärmsten Gegenden zu konzentrieren.

Zweitens gehe es in Europa künftig nicht mehr darum, zum Beispiel einen neuen Flughafen zu bauen, sondern die Menschen im Umland des Flughafens dabei zu unterstützen, im und um den Flughafen herum Firmen zu gründen oder Arbeitsplätze zu finden.

Kampf gegen Missbrauch

Und schließlich wird Hahn die Kontrolle der Auszahlung dieser Mittel verbessern müssen. Da liegt einiges im Argen. Denn die Mitgliedstaaten, die vorrangig für Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit verantwortlich sind, tricksen, was das Zeug hält. Laut des Europäischen Rechnungshofs hätten 2008 mindestens elf Prozent nicht ausgezahlt werden dürfen. Das sind ungefähr 2,7 Mrd. Euro.

„Diese Kommission wird entscheiden, nicht nur diskutieren. Wenn sie führt, wird sie nicht geführt werden“, sagte Kommissionspräsident José Manuel Barroso bei der Vorstellung seiner neuen Equipe. Das gilt auch für Hahn.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2009)

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