Datenschutz: EU und USA in den Schützengräben

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Das EU-Parlament stimmt heute dem "Swift-Abkommen" mit den USA zu. Der nächste Konflikt ist nur eine Frage der Zeit: zu tief sind die philosophischen Unterschiede.

BRÜSSEL. Sophie in 't Veld wird sehr zornig, wenn man sie zum Datenschutz und der Jagd nach Terroristen in den USA befragt. „Das ganze dortige System ist auf der Annahme aufgebaut, dass jeder ein potenzieller Übeltäter ist“, sagte die niederländische liberale Europaabgeordnete im Gespräch mit der „Presse“. „Wir sagen stets: Machen wir das zum gemeinsamen Interesse – oder verhandeln wir aus den Schützengräben heraus. Aber dann verlieren alle.“

In 't Veld ist eine der profiliertesten Kritikerinnen des TFTP-Abkommens der EU mit den USA. TFTP: Das steht für Terrorist Finance Tracking Program und beschreibt jene Rasterfahndung, mit der das US-Finanzministerium an einem geheimen Ort in oder um Washington nach den Finanziers von Terroristen sucht.

TFTP steht aber auch für den ersten handfesten transatlantischen Streit, den das Europaparlament mit den US-Behörden vom Zaun gebrochen hat. Denn die Banküberweisungsdaten stammen von der belgischen Firma Swift. Sie sorgt für den reibungslosen internationalen Zahlungsverkehr und hat dabei mehr oder weniger ein globales Monopol: Kaum eine Überweisung kommt ohne Swift-Code aus.

Wenn Vater Staat spioniert

Erst 2006 kam heraus, dass die USA vier Jahre lang auf die Swift-Daten zugegriffen hatten. Illegal war das nicht: Die US-Treasury hatte Swift per sub-poena, also per verwaltungsrechtlicher Zwangsanordnung zur Herausgabe der Daten auf dem US-Server der belgischen Firma gezwungen. Aber dass eine Regierung geheim die Bankdaten ihrer Bürger durchstöbert: Das sorgte in Europa für einen Aufschrei.

Erst im zweiten Anlauf wird das Parlament heute, Donnerstag, dem Abkommen zustimmen. Doch schon nahen die nächsten Streitereien – ob es um das Abkommen über Fluggastdaten geht, dass die Amerikaner gerne neu verhandeln würden, weil sie noch mehr Angaben über Flugpassagiere erhalten wollen, oder um ein allgemeines Abkommen mit der EU über den Datenschutz.

Woran das liegt, wollte „Die Presse“ im Rahmen einer Studienreise erfahren, zu der das US-Außenministerium ein Dutzend europäischer Journalisten geladen hatte. Mit wem auch immer man in den USA spricht: Die Antwort fällt fast immer gleich aus.

„In den USA sieht man Daten als handelbare Ware an – in Europa hingegen als etwas, mit dem man nur nach eng umfassten Bedingungen etwas machen darf“, sagte Derek Bambauer von der Brooklyn Law School. Sprich: Der Europäer gibt seine Daten der Drogeriemarkt-Kette, um eine Kundenkarte zu erhalten. Er bleibt aber Eigentümer seiner Daten. Der US-Drugstore hingegen wird, mit Einwilligung des Kunden, Eigentümer von dessen Daten und kann mit ihnen tun, was er will.

Das ist eine Folge unterschiedlicher historischer Erfahrungen, sagte Lisa Sotto, Partnerin der New Yorker Anwaltsfirma Hunton Williams: „Datenschutz ist hier ein Konsumentenschutzthema, kein Grundrecht. Man ist hier glücklich darüber, nie auf Basis von unseren Daten verfolgt oder getötet worden zu sein.“ Darum gibt es kein Datenschutzgesetz wie in der EU, sondern sektorielle Bestimmungen, etwa zum Schutz Minderjähriger oder von Bankkunden.

Nixons Liste der Staatsfeinde

Bloß: Einmal haben auch die Amerikaner erfahren, wie das ist, wenn der Staat sie ausspioniert. Im Zug der „Watergate“-Affäre, die Präsident Richard Nixon zum Rücktritt zwang, wurde bekannt, dass der zusehends paranoide Nixon eine geheime Liste von Staatsfeinden anlegen ließ. Als das bekannt wurde, erließ der Kongress 1974 den Privacy Act. Der bietet Schutz gegen allzu freies Schnüffeln des Staates. Er gilt aber nur für US-Bürger und in den USA Ansässige. Und daran dürfte sich so schnell nichts ändern. „Ich wäre überrascht, wenn es große Änderungen in der Datenschutzpolitik der USA gäbe“, sagte Adam Levitin von der Georgetown School of Law.

AUF EINEN BLICK

Das Swift-Abkommen erlaubt den USA im Kampf gegen den Terrorismus einen Zugriff auf europäische Banküberweisungsdaten. Die EU-Regierungen haben dem Abkommen bereits zugestimmt, nun will auch das EU-Parlament grünes Licht geben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.07.2010)

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