Malmström: "Brauchen eine Lösung für legale Migration"

Cecilia Malmstroem
Cecilia Malmstroem(c) EPA (THIERRY SUZAN)
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Die EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström spricht über Visa-Freiheit, Terrorgefahr und über die Weitergabe von Daten an die USA: "Wir werden für unsere Wirtschaft Zuwanderer als Arbeitskräfte brauchen."

Die Presse: In vielen europäischen Ländern – darunter Österreich – gibt es heftige Debatten über eine mögliche Einschränkung der Zuwanderung. Die EU-Kommission hat im Gegensatz dazu mehrere Modelle zur legalen Migration vorgeschlagen. Gibt es derzeit überhaupt ausreichend politischen Willen, sich mit Erleichterungen für legale Einwanderer zu beschäftigen?

Cecilia Malmström: Das ist eine sehr schwierige Frage. Es ist sicher derzeit schwer, bei diesem Thema groß Fortschritte zu erzielen. Das hat vor allem politische Gründe, denn in vielen Ländern haben sich Parteien etabliert, die gegen die Zuwanderung ankämpfen. Derzeit hat das natürlich auch mit der Krise zu tun und mit der erhöhten Arbeitslosigkeit. Längerfristig werden wir um eine Lösung für die legale Migration aber nicht herumkommen. Denn wir werden für unsere Wirtschaft Zuwanderer als Arbeitskräfte brauchen.

Bosnien und Albanien sollen demnächst die Visafreiheit für die Einreise in die EU erhalten. Wie waren die Erfahrungen mit anderen Westbalkan-Ländern wie Serbien oder Mazedonien, deren Bürger bereits ohne Visa in die EU reisen dürfen?

Diese Länder mussten strenge Kriterien erfüllen. Das gilt nun auch für Bosnien und Albanien. Nach anfänglichen Problemen sind die Erfahrungen gut. Es wird ständig von der EU-Kommission überprüft, ob die Kriterien weiter eingehalten werden. Wir versuchen, auch die Bürger dieser Länder über die Bedeutung der Visafreiheit zu informieren. Ihnen muss klar werden, dass es hier nicht um eine Möglichkeit geht, in EU-Staaten zu arbeiten oder sich dort für einen längeren Zeitraum aufzuhalten. Es geht um eine Erleichterung bei Reisen und beim Besuch von Freunden.

Wird auch für die Türkei bald die Visapflicht fallen?

Es gibt aktuell noch keinen Verhandlungsprozess mit der türkischen Regierung über dieses Thema. Aber letztlich wird es auch hier darauf ankommen, ob die Türkei die Kriterien für eine Aufhebung der Visapflicht erfüllt. Wenn sie das tut, ist das möglich.

Zur umstrittenen Abschiebung von Roma aus Frankreich: Darf ein EU-Land europäische Bürger in ein anderes EU-Land abschieben?

Es gibt natürlich die Möglichkeit, auch EU-Bürger abzuschieben. Etwa wenn sie die Sicherheit eines Landes gefährden. Allerdings muss individuell geprüft werden, ob es hier ausreichend Gründe gibt. Frankreich hat bis zum 15. Oktober Zeit, zu beweisen, dass diese EU-Regeln umgesetzt wurden.

Sie sind von der US-Regierung über die jüngste Terrorwarnung für Europa informiert worden. Gibt es eine ernste Bedrohung für Europa?

Die US-Heimatschutzministerin Janet Napolitano hat mich über die Situation informiert. Wobei es allerdings um keine akute Terrorwarnung ging, sondern darum, dass die USA ihre Bürger vor möglichen Gefahren bei Reisen nach Europa informiert haben. Es wurde klargestellt, dass es derzeit ein allgemeines, kein konkretes Gefahrenpotenzial gibt.

Deutschlands Innenminister Thomas de Maizière sprach von „Alarmismus“ und erklärte, er habe keine Quellen für eine solche Terrorgefahr.

Jedes Land hat auf die Situation anderes reagiert. Einige haben die Warnung übernommen, andere nicht.

Die US-Regierung fordert für ihren Kampf gegen den Terrorismus immer mehr Daten von EU-Bürgern ein. Muss Europa akzeptieren, dass US-Geheimdienste ohne gerichtliche Kontrolle auf Daten von EU-Bürgern zugreifen?

Das sicher nicht. Wir haben schon in der Vergangenheit deutlich gemacht, dass es strenge Regeln für die Weitergabe von Daten zur Terrorismusbekämpfung geben muss.

Und sind diese Regeln derzeit ausreichend?

Diese Regeln sind dort ausreichend, wo es bereits Abkommen über einen Austausch von Daten mit den USA gibt. Hier wurde auf den Schutz der EU-Bürger vor der willkürlichen Nutzung ihrer Daten Wert gelegt.

Zur Person

Cecilia Malmström ist seit Februar dieses Jahres zuständige EU-Kommissarin für innere Sicherheit. Sie ist damit auch für die Asyl- und Einwanderungspolitik der Union und den Schutz der EU-Außengrenzen verantwortlich. Die schwedische Politikerin war zuvor Europaministerin in der Regierung Reinfeldt. Europa-Erfahrungen sammelte die Politikwissenschaftlerin von 1999 bis 2006 als Abgeordnete der Liberalen Volkspartei im Europaparlament. Malmström wuchs in Schweden und Frankreich auf, später lebte sie zeitweise in Deutschland und Spanien. Die EU-Kommissarin war diese Woche auf Besuch in Österreich, wo sie unter anderem mit Innenministerin Maria Fekter und Justizministerin Claudia Bandion-Ortner zusammentraf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14. Oktober 2010)

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