Ungarn: EU-Vorsitz im Schatten des Nationalismus

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EUPraesidentschaft Schatten Nationalismus(c) AP (BELA SZANDELSZKY)
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Die Regierung in Budapest verspricht Engagement gegen Finanz- und Energiekrisen. Außerdem will man mit der „Donaustrategie“ das Zusammenspiel in Umwelt- und Infrastrukturfragen im Donauraum verbessern.

Budapest. Mit der guten Nachrede ist es für die Ungarn vorbei, seit Viktor Orbán in diesem Mai zum zweiten Mal nach 1998 wieder an die Macht gekommen ist. Als „Putin der Puszta“ wird der Rechtspopulist in europäischen Medien verhöhnt, der auf dem Weg in einen Führerstaat sei, der Nationalismus schüre und sich keinen Deut um eine einheitliche europäische Sparpolitik schere. Faktum ist, dass Orbáns Partei Fidesz über eine klare Zweidrittelmehrheit im Parlament verfügt und dass der ungarische Ministerpräsident auch in der EU keine Mitläuferrolle zu spielen gedenkt. Da trifft es sich, dass die Ungarn ab Jänner die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen.

Im Vorfeld versucht die Regierung nun unermüdlich, Bedenken der EU-Partner zu zerstreuen, was die Seriosität und die Intentionen der Ungarn betrifft. So beeilt sich Außenminister János Martonyi vor österreichischen Journalisten in Budapest zu versichern, dass ihn die Beurteilung der ausländischen Medien nicht aus der Ruhe bringe.

Die Devise der Ungarn für ihre EU-Präsidentschaft ist daher simpel: Sie stellen ein „starkes Europa“ in den Vordergrund – worunter recht viel fallen kann. Tut es denn auch. Zuallererst soll zu Ende geführt werden, was die anderen an Arbeit übrig gelassen haben. Und das ist gar nicht wenig: die Bewältigung der Eurokrise, der Abschluss des EU-Haushalts, falls es vor Jahresende keinen Durchbruch gibt, mit viel Glück der Abschluss des Beitrittsprozesses mit Kroatien und eher illusorisch die Ausweitung der Schengen-Länder auf Rumänien und Bulgarien sowie eine bessere Romapolitik (auch aus Eigeninteresse).

Schwerpunkt Donaustrategie

Damit nicht genug. Ein großes Anliegen ist den Ungarn die „Donaustrategie“. Nach Vorbild der „Ostseestrategie“ will man das Zusammenspiel in Umwelt- und Infrastrukturfragen im Donauraum verbessern. Acht EU-Länder sind dabei sowie sechs Nichtmitglieder, beispielsweise Kroatien oder Serbien. Zu den 40 Projekten, für die man auch gern den Segen der EU-Kommission und vor allem das Geld aus den Regionalfördertöpfen hätte, zählen Maßnahmen gegen die Eintiefung der Donau oder der Hochwasserschutz. Will man damit auch ein politisches Gewicht jenseits der bestehenden starken EU-Mächte schaffen? Keine Rede davon, beeilt man sich zu versichern.

Ein weiteres großes Thema der Ungarn ist die Frage der Energiesicherheit. Eine Gaskrise, wie es sie in den letzten Jahren durch Konflikte zwischen der Ukraine und Russland immer wieder gegeben hat, will man nicht wieder erleben. Dazu brauche es gar nicht so sehr neue Quellen und Großprojekte, sondern ein europaweit vernetztes Pipeline-System. Das schaffe im Ernstfall Aushilfsmöglichkeiten und ansonsten mehr Wettbewerb, so die Idee.

Träume vom großen Reich

Doch wie steht es nun mit dem populistischen Nationalismus? Schließlich haben die Ungarn mit ihrem Angebot, allen im Ausland lebenden früheren Landsleuten einen Reisepass auszustellen, für erheblichen Aufruhr gesorgt, vor allem in der Slowakei. Martonyi beschwichtigt. Da gehe es nicht um Massenabwerbungen. Die USA, Südafrika oder Israel hätten zudem kein Problem damit. Und wenn ein Staat aus rechtlichen Gründen etwas dagegen habe (wie Österreich zum Beispiel), dann akzeptiere man das.

Weniger ausweichend antwortet Gergely Pröhle. Für den stellvertretenden Staatssekretär im Außenministerium ist es schlicht ein Faktum, dass „Trianon bei vielen ein Trauma hinterlassen hat“. In den so benannten Friedensverträgen von 1920 wurden die Grenzen nach dem Ersten Weltkrieg neu gezogen. Rund drei Millionen Ungarn lebten danach in anderen Staaten. Das bleibe lebendig, sei aber kein Revisionismus. Auch das Problem mit der extrem rechten, antisemitischen Jobbik-Partei, die mit 17 Prozent ins Parlament einzog, spielt man in Ungarn gern herunter. „Verrückte findet man überall, wenn es etwas strafrechtlich Relevantes gibt, muss man etwas unternehmen“, so Pröhle.

Obwohl es einen nationalen Konsens über die Ziele der ungarischen Präsidentschaft gibt, ist das Vertrauen der Opposition ins Geschick der Regierung enden wollend. „Alles, was die Orbán-Regierung seit ihrem Amtsantritt gemacht hat, ist gegen die europäische Demokratie und gegen unsere Verfassung“, urteilt László Kovács, früher EU-Kommissar und nun Abgeordneter der schwer geschlagenen Sozialdemokraten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2010)

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