Steuerangleichung: Merkel und Sarkozy brechen EU-Tabu

Steuerangleichung Merkel Sarkozy brechen
Steuerangleichung Merkel Sarkozy brechen(c) EPA (BERND�WEISSBROD)
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Deutschland und Frankreich gegen Euro-Bonds, aber für eine deutlich stärkere gemeinsame Wirtschaftskoordination. Beide Länder werden als Vorreiter ihre Steuersysteme harmonisieren.

Freiburg/Ag/Red. Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy haben am Freitag eines der großen Tabus der Europäischen Union gebrochen. Sie sprachen sich für eine deutlich engere Koordination der Wirtschaftspolitik aller Euroländer aus und wollen dabei erstmals eine Steuerharmonisierung und die Angleichung von sozialen Rechten einbeziehen. „Wir sollten mit gutem Beispiel vorangehen, wenn es um Fragen der Wettbewerbsfähigkeit geht, die weit über die reine Haushaltspolitik hinausgehen. Das hat auch etwas mit Arbeitsrecht und mit Steuerrecht zu tun“, erklärte Merkel auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Sarkozy im deutschen Freiburg.

Beide Länder werden als Vorreiter ihre Steuersysteme harmonisieren. Damit soll der erste Schritt für eine europaweite Angleichung erfolgen, um Verzerrungen im Wettbewerb der Euroländer auszugleichen. „Wenn die Kohärenz der Wirtschaftszone des Euroraums zunehmen soll, dann müssen wir Schritt für Schritt diese Dinge ins Visier nehmen“, sagte Sarkozy.

Hintergrund des gemeinsamen Vorstoßes ist die anhaltende Kritik von Ökonomen, die unterschiedlichen Wirtschaftsstrukturen in der Eurozone seien der eigentliche Grund für die Krise der gemeinsamen Währung. Zuletzt war vor allem an Irland Kritik geübt worden, weil es seine Unternehmenssteuer stark gesenkt hatte, um ausländische Betriebe anzulocken. Irland gewann zwar im Standortwettbewerb gegen jene Länder, die von Unternehmen bis zu doppelt so hohe Körperschaftsteuer verlangten. Gleichzeitig verlor das Land dadurch aber wichtige Einnahmen für seine Budgetsanierung.

Bisher gibt es nur eine geringfügige Angleichung der Steuern in der EU – etwa durch gemeinsame Bandbreiten und gemeinsame Ausnahmeregeln bei der Mehrwertsteuer. Vor allem Großbritannien hat sich stets gegen jede Form einer europäischen Steuerpolitik ausgesprochen.

Umdenken in Berlin

Die deutschen Regierungsparteien CDU/CSU und FDP vertraten bisher eher eine skeptische Haltung zur Steuerharmonisierung. Politiker beider Parteien hatten davor gewarnt, den Steuerwettbewerb in der EU aufzulösen und damit die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Binnenmarkts zu gefährden. Zuletzt hatten lediglich SPD und Grüne im Rahmen der im Bundestag beschlossenen Irland-Hilfe auf eine Harmonisierung der Steuersätze in der EU gedrängt. Frankreichs Führung spricht sich hingegen seit geraumer Zeit für mehr Steuerharmonisierung in Europa aus.

Gleichzeitig mit dem Startschuss für eine stärkere wirtschaftspolitische Zusammenarbeit in der Eurozone erteilten Merkel und Sarkozy der Ausgabe von Euro-Bonds (gemeinsamen Anleihen aller Euroländer) zur Sanierung maroder Partnerländer eine klare Absage. Die Kritik, die Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker an der mangelnden europäischen Solidarität Deutschlands geübt hatte, wies der französische Präsident zurück. Berlin handle „nicht egoistisch“. Deutschland und Frankreich seien jene EU-Staaten, die am meisten Geld für Not leidende Partner beisteuerten. Auch die ablehnende Haltung zu Euro-Bonds seien kein Zeichen für Egoismus. „Die Bürger in Deutschland und Frankreich wären nicht glücklich, falls wir die Schulden vergemeinschaften würden“, sagte Sarkozy.

Er schränkte allerdings ein: Die Frage gemeinsamer Euroanleihen könne sich eines Tages stellen, aber erst nachdem sich die Volkswirtschaften in der Eurozone angenähert hätten und die politische Integration weiter fortgeschritten sei. „Wir sollten das Pferd aber nicht vom Schwanz her aufzäumen“, fügte Sarkozy hinzu.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.12.2010)

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