Ungarn: Orbán-Freund wegen Hetzartikels angezeigt

Viktor Orban
Viktor Orban(c) AP (Bela Szandelszky)
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Oppositionelle versuchen das umstrittene Mediengesetz gegen Anhänger der Regierung anzuwenden. Grund ist ein Artikel mit Beleidigungen und antisemitischen Untertönen.

In Ungarn versuchen Vertreter der Opposition, das umstrittene Mediengesetz gegen Anhänger der rechtskonservativen Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán anzuwenden. Der Vorsitzende der kleinen, nicht im Parlament vertretenen Partei Grüne Linke, Szilárd Kalmár, hat den Publizisten und persönlichen Orbán-Freund Zsolt Bayer wegen eines "Hetzartikels" bei der Medienregulierungsbehörde NMHH angezeigt, wie die linksliberale Tageszeitung "Népszabadság" am Mittwoch berichtete.

"Leider nicht alles im Wald verscharrt"

Bayer hatte am Vortag in der der Regierungspartei Fidesz nahe stehenden Tageszeitung "Magyar Hirlap" beklagt, dass während des sogenannten "Weißen Terrors" im Jahr 1919 in Ungarn nicht genügend Linke ermordet worden seien. "Leider gelang es nicht, alle bis zum Hals im Wald von Orgovány zu verscharren", schrieb er. Der Wald von Orgovány südlich von Budapest war der Schauplatz eines Massakers rechtsradikaler Freikorps an angeblichen Sympathisanten der zuvor zusammengebrochenen kommunistischen Räterepublik.

In dem auch online verfügbaren Artikel zieht Bayer Parallelen zwischen der "Schmutzkampagne", die das Umfeld des nach Wien geflüchteten Kommunistenführers Béla Kun nach Ende der Räterepublik gegen das nachfolgende ungarische Regime von Reichsverweser Miklós Horthy geritten habe, und der heutigen Kritik am ungarischen Mediengesetz im In- und Ausland.

"Ein Stinkendes Exkrement"

Bayers Kommentar enthielt auch eine verdeckte antisemitische Stoßrichtung. Aus der großen Zahl der Kritiker der Regierung Orbán griff er den britischen Journalisten Nick Cohen, den deutsch-französischen Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit und den ungarischen Pianisten András Schiff heraus und kommentierte: "Cohen, und dann Cohn-Bendit und dann Schiff." In Ungarn werden diese Namen klar als jüdisch identifiziert. Den "Guardian"-Mitarbeiter Cohen beschimpfte Bayer zudem als "stinkendes Exkrement".

Das am 1. Jänner in Kraft getretene Mediengesetz ermöglicht es der NMHH, hohe Geldstrafen nicht nur wegen Aufhetzung, sondern auch wegen der Beleidigung von ethnischen und konfessionellen Minderheiten zu verhängen. Wenn es tatsächlich das Ziel dieses Gesetzes sei, hetzerische Töne in der Presse zurückzudrängen, "dann wird Zsolt Bayer einer der ersten Journalisten sein, den die Medienbehörde verurteilt", sagte Kalmár in der "Népszabadság".

"Wenn nicht, dann ist erwiesen, dass das Gesetz ganz andere Ziele hat", fügte er hinzu. Kritiker befürchten, dass das Regelwerk mit seinen schwammigen Vorgaben und massiven Durchgriffsrechten für die NMHH dazu dienen könnte, regierungskritische Stimmen in die Schranken zu weisen.

(Ag.)

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