Präsident Orbán: „Böswillige“ Interventionen

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Orbn bdquoBoeswilligeldquo Interventionen(c) AP (Bela Szandelszky)
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Ungarns Regierungschef lässt Mediengesetz von Brüssel prüfen. Im Falle notwendiger Änderungen will er aber auch andere Mitgliedstaaten zu Reformen zwingen.

Budapest/Wb, Ag. Für eine erfolgreiche EU-Präsidentschaft „müssen die böswilligen Interventionen“ beendet werden, sagte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán am Freitag nach einem Gespräch mit EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso in Budapest. Sein Land werde nicht akzeptieren, dass seine demokratische Orientierung in Frage gestellt werde. Mit dieser Gegenattacke reagierte Orbán auf immer lautere Forderungen aus EU-Ländern, das neue ungarische Mediengesetz zurückzuziehen.

Unmittelbar danach versicherte Orbán aber seine Bereitschaft, die umstrittene Medienaufsicht abzuändern, sollten Teile davon nicht im Einklang mit den EU-Grundrechten stehen. Allerdings, so der rechtsliberale Politiker, werde sein Land dabei keine Diskriminierung akzeptieren. Ähnliche Mediengesetze anderer EU-Staaten müssten dann ebenso reformiert werden.

Das Gesetz, das gleichzeitig mit dem Start der Präsidentschaft in Kraft getreten ist, weitete die Befugnisse der staatlichen Medienaufsicht auf private Fernseh- und Radiosender sowie Zeitungen und Internetportale aus. Die EU-Kommission hat eine Prüfung angekündigt. Die zuständige EU-Kommissarin Neelie Kroes hatte bereits Zweifel angemeldet, ob die Behörde angesichts ihrer Zusammensetzung wirklich unabhängig sei. Immerhin hat die Medienaufsicht die Möglichkeit, bei einer breiten Definition von Gefahren für den Staat drastische Maßnahmen gegen einzelne Medienunternehmen einzuleiten.

„Kontrolle von Meinungen“

Ungarns Regierung hatte behauptet, dass auch andere EU-Länder – darunter Deutschland – ähnliche Regelungen hätten. Diesen Einwand wies nun der Leipziger Europarechtler Markus Kotzur zurück. Anders als beispielsweise in Deutschland ermögliche das Gesetz in Ungarn eine weitgehende Kontrolle nicht nur von Tatsachenbehauptungen, sondern auch von Meinungen, sagte der Direktor des Europarechts-Instituts an der Universität Leipzig in einem Reuters-Interview. Es bestehe Zensurgefahr, wenn Kontrollgremien nicht wie in Deutschland oder anderen EU-Ländern pluralistisch mit Interessensgruppen und Parteien zusammengesetzt seien, sondern nur noch eine politische Richtung repräsentiert werde.

Barroso kündigte in Budapest an, seine Behörde werde das Gesetz prüfen, sobald der offizielle Text übermittelt sei. Gleichzeitig räumte er ein, dass auch das umstrittene Gesetz zur Unternehmensbesteuerung überprüft werde. Hierzu gebe es bereits mehrere Beschwerdebriefe internationaler Unternehmen. Sie behaupten, dass sich die Sondersteuer auf große Betriebe der Telekom-, Energie- und Einzelhandelsbranche vor allem gegen Konzerne richte, die aus westlichen EU-Staaten stammen. In einem gemeinsamen Brief von 13 Großunternehmen aus Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Österreich und Tschechien heißt es: „In den jüngsten Entscheidungen der ungarischen Regierung sehen wir einen Versuch, den Staatshaushalt auf dem Rücken ausgewählter Sektoren und ausländischer Unternehmen auszugleichen.“ Die Wirtschaftspolitik der Regierung Orbán schade nicht nur Investitionen, sondern stelle das ungarische Bekenntnis zum Binnenmarkt infrage.

Orbán wies auch diese Vorwürfe zurück. Es sei eine Lastenteilung notwendig. Immerhin hätte die ungarische Bevölkerung bereits eine Hauptlast zur Sanierung des Staates getragen.

Auf einen Blick

EU-Prüfung. Die EU-Kommission hat angekündigt, sowohl das neue ungarische Mediengesetz als auch die umstrittene ungarische Unternehmenssteuer für Betriebe der Telekom-, Energie- und Einzelhandelsbranche zu prüfen. Bei Verstößen gegen EU-Recht muss Budapest die Gesetze abändern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.01.2011)

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