Mediengesetz: "Chávez" Orbán "zum Kampf bereit"

Mediengesetz Chavez Orbn Kampf
Mediengesetz Chavez Orbn KampfReuters (Kessler)
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Regierungschef Viktor Orbán ortet eine "Beleidigung des ungarischen Volkes" durch EU-Abgeordnete. Die Kritik am Mediengesetz weist er zurück.

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán hat sich kämpferisch im Streit um das Mediengesetz seines Landes gegeben. Er rief die Europa-Abgeordneten am Mittwoch in Straßburg dazu auf, ihre Kritik an innenpolitischen Zuständen nicht mit dem amtierenden EU-Ratsvorsitz, den Ungarn in dieser Jahreshälfte innehat, zu verwechseln. "Wenn Sie diese Themen miteinander vermengen, dann bin ich zum Kampf bereit", sagte Orbán am Mittwoch in seiner Rede vor dem EU-Parlament in Straßburg.

"Dann wird nicht Ungarn, sondern die Europäische Union darunter leiden", führte Orbán weiter aus. "Auch in Ungarn haben wir einen gesunden Menschenverstand." Orbán versicherte, die ungarische Regierung werde das Mediengesetz gegebenenfalls ändern. "Wenn es nachweisliche Mängel gibt, sind wir bereit, das zu reparieren. Das sind für uns keine Prestigefragen. Wir sind nicht eitel." Ungarn setze sich für Pressefreiheit ein, und habe dies in Vergangenheit immer unter Beweis gestellt.

Orbán im EU-Parlament kämpferisch
Orbán im EU-Parlament kämpferisch(c) EPA (Christophe Karaba)


Orbán warnte die Europaabgeordneten auch vor einer Beleidigung Ungarns. "Man kann kann das Gesetz kritisieren, ich lasse es aber nicht zu, dass das ungarische Volk beleidigt wird." Es sei außerdem "Unsinn", wenn behauptet werde, dass Ungarn auf dem Weg in eine neue Demokratie sei.

Orbán: "Wir können nicht alles kontrollieren"

Die Kritik am ungarischen Mediengesetz gehe von vielen falschen Tatsachenbehauptungen aus, sagte Orban. "Im ungarischen Mediengesetz kann man keine Sanktionen gegen Unausgewogenheit ergreifen." Im Zeitalter des Internets sei es außerdem nicht möglich, Meinungsfreiheit zu unterdrücken. "Wir können nicht Facebook, Blogs und das Internet kontrollieren." Das alte Mediengesetz von 1986 (eigentlich Pressegesetz, Anm.) stammte aus der Zeit des Kommunismus und habe geändert werden müssen.

Damals hätten Zeitungen noch verboten werden können, was heute nicht mehr der Fall sei. "Ihnen stößt vielleicht sauer auf, dass es in Europa ein Land gibt, das (dessen Regierung, Anm.) über eine Zweidrittelmehrheit verfügt", antworte Orban seinen Kritikern in Hinblick auf den Wahlsieg seiner rechtskonservativen Fidesz-Partei im Vorjahr.

Der SPÖ-Delegationsleiter Jörg Leichtfried hatte zuvor in der Parlamentsdebatte daran erinnert, dass Orban früher den Liberalen angehörte, und an ihn die Frage gerichtet: "Wie fühlt man sich jetzt, wenn man ein Land weg von der Demokratie und in Richtung Diktatur führt?"

Barroso: "Pressefreiheit ein heiliges Prinzip"

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso betonte unterdessen vor dem EU-Parlament erneut, dass "Pressefreiheit ein heiliges Prinzip in der EU sei". Die EU-Kommission werde noch in dieser Woche einen Brief an Budapest zu dem Mediengesetz schreiben, mit der Bitte um Klärung "in gewissen problematischen Bereichen, die zu Sorgen geführt haben". Die EU-Kommission werde dann die Antwort Ungarns prüfen. Barroso appellierte an Orbán, abgesehen von juristischen Gesichtspunkten auch politische Aspekte der Kontroverse zu sehen. Er hoffe, dass Orbán das berücksichtigen werde.

Roter Schultz: "Ernste Situation"

Protest der Grünen gegen das ungarische Mediengesetz während der Rede von Premier Orbán
Protest der Grünen gegen das ungarische Mediengesetz während der Rede von Premier Orbán(c) Reuters (Vincent Kessler)

Der Chef der sozialdemokratischen Fraktion, Martin Schulz, sprach in Hinblick auf das Mediengesetz von einer "ernsten Situation". "Ein einseitig eingesetzter Medienrat kontrolliert, was ausgewogene Berichterstattung ist." In der Demokratie würden aber die Medien die Macht kontrollieren und nicht umgekehrt. Deshalb sei Europa so besorgt. In Hinblick auf die Zweitdrittelmehrheit im Parlament, die Orbáns konservative Fidesz-Partei bei den Wahlen im Frühjahr erlangte, warnte Schulz Orbán davor, dass diese nicht für ihn zur Niederlage werde. Eine große Mehrheit bringe auch eine große Pflicht mit sich.

Schulz kritisierte auch die Haltung der EU-Kommission. Wenn in Österreich ein Bundesland ein Lkw-Fahrverbot verhänge, "verfällt die Europäische Kommission in eine tiefe Sinnkrise". Wenn aber die Grundlage der Demokratie bedroht sei, "prüfen sie sich einen Bart ab". An Orbán richtete Schulz die Aufforderung, das Mediengesetz zurückzuziehen, ansonsten werde sich die Angelegenheit gegen den EU-Ratsvorsitz auswirken. Auch der Liberalen-Chef Guy Verhofstadt forderte Orbán auf, das Mediengesetz zurückzuziehen. Ohne Orbán namentlich zu nennen, sprach Verhofstadt von einem "Elefant im Porzellanladen".

Protest der Grünen gegen "Chávez" Orbán

Grünen-Chef Daniel Cohn-Bendit betonte, Orbán sei "auf dem Weg, ein europäischer (Hugo) Chávez (venezolanischer Präsident, Anmerkung) zu werden, ein Nationalpopulist, der das Wesen und die Struktur der Demokratie nicht versteht". In Hinblick auf das Mediengesetz sagte er: "Ausgewogene Berichterstattung gibt es nicht." Und an Orbán richtete er die Frage, ob der frühere US-Präsident Richard Nixon die Watergate-Affäre oder Ex-US-Präsident George W. Bush den Skandal um das US-Gefangenenlager Abu Ghraib im Irak als ausgewogen erachtet hätten.

Die Grünen im Europaparlament hatten Ministerpräsident Orbán am Mittwoch in Straßburg mit einer Protestaktion gegen das umstrittene ungarische Mediengesetz empfangen. Mehrere Abgeordnete hoben Transparente in der Machart von Zeitungen hervor, auf denen "Zensur" stand. Außerdem verklebten sich viele symbolisch den Mund.

Ungarns Mediengesetz

Die ungarische Medienbehörde kann drakonische Strafen über Medien verhängen, deren Berichterstattung sie als "politisch unausgewogen" einstuft. Die Strafbestimmungen treten erst in der zweiten Jahreshälfte in Kraft, und gegen sie können Medien vor Gericht klagen. Die auf neun Jahre ernannten fünf Mitglieder des Medienrates - der im Rahmen der Medien- Telekommunikationsbehörde NMHH für die Kontrolle der Medienanbieter zuständig ist - stehen alle der regierenden Fidesz-Partei nahe.

(Ag.)

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