Rumäniens Schlacht um Schengen

(c) AP (Vadim Ghirda)
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Bukarest setzt trotz Kritik alles daran, doch noch in der ersten Jahreshälfte in die Schengen-Zone aufgenommen zu werden. Reisefreiheit gibt es bereits jetzt schon, mit Schengen gebe es nur mehr Bequemlichkeit.

Bukarest. Rumäniens Außenminister Teodor Baconschi ist eigentlich ein bedächtiger Mann. Er hat Theologie studiert, war Botschafter Rumäniens im Vatikan und in Lissabon. Jetzt sitzt er, in dunklem Anzug, das Haar grau meliert, hinter einem Mikrofon im Konferenzraum des Bukarester Außenministeriums. Der Außenminister spricht in einem angenehmen Bariton. Doch was er zu sagen hat, ist alles andere als wohlklingend.

Baconschi spricht von „künstlichen Problemen“, der verletzten Ehre und Würde seines Landes, von der Gefahr eines zweitklassigen Status seiner Bürger, er warnt davor, dass die europäische Idee ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren drohe. Er spricht zu ausländischen Journalisten, damit sie seine Botschaft weitertragen, nach Berlin, Brüssel und vor allem nach Paris.

Ein Brief hat Baconschis Ärger entfacht, und nicht nur seinen, sondern den der ganzen Bukarester politischen Klasse. Ein kurzes Schreiben, unterzeichnet vom deutschen Innenminister Thomas de Maizière und seinem französischen Amtskollegen Brice Hortefeux. Darin kritisieren sie den für Ende März geplanten Beitritt von Rumänien und Bulgarien zur Schengen-Zone als „verfrüht“; als Gründe nennen sie Korruption und organisierte Kriminalität.

Für den rumänischen Normalbürger hätte eine Verzögerung des Schengen-Beitritts kaum Auswirkungen. Reisefreiheit gibt es jetzt schon, mit Schengen gebe es nur mehr Bequemlichkeit: Die Grenzkontrollen zu den anderen Schengen-Ländern entfielen. Doch Bukarest kocht.

Rumänien hat, anders als Bulgarien, die sieben Evaluierungsmissionen durch EU-Experten glänzend bestanden. Für über eine Milliarde Euro, die Hälfte davon kommt aus dem rumänischen Budget, hat das Land seine Außengrenzen hochgerüstet. Grenzanlagen wurden neu gebaut, Fahrzeuge mit mobilen Wärmebildkameras angeschafft, die Sicherheitsbehörden haben ihre Computer am Schengen-Informations-System (SIS) angedockt, 60.000 Beamte wurden trainiert. Nagelneue Technik wartet an Rumäniens Grenzen zur Republik Moldau, zur Ukraine und zu Serbien auf den Einsatz. Während man sich in Sofia mit dem Sorgenkindstatus abgefunden hat und schuldbewusst Besserung gelobt, hat Bukarest sich entschlossen, in die Schlacht zu ziehen. Schon zuvor war der Schengen-Beitritt eine Priorität der Regierung. Jetzt ist er eine nationale Causa.

Was tun bei Problemkandidaten?

Die Sorge Frankreichs und Deutschlands wirkt auf den ersten Blick verständlich. Seit dem Beitritt der beiden Balkanländer 2007 ebbt die Kritik nicht ab. Mit wirklichen Resultaten – etwa Verurteilungen von mutmaßlichen hochrangigen Verbrechern – hält man sich in beiden Ländern zurück. Dennoch zeugt das konfrontative Vorgehen von Berlin und Paris eher von Ratlosigkeit – wie nämlich die EU mit Ländern mit rechtsstaatlichen Mängeln umgehen soll. Im Falle des Beitrittskandidaten Kroatien wird sich die Union diese Frage erneut stellen müssen.

Das in Rumänien und Bulgarien nach dem Beitritt eingeführte Monitoring, euphemistisch „Kooperations- und Kontrollmechanismus“ (CVM) genannt, hat sich nur als bedingt hilfreich erwiesen. Rumäniens Regierung möchte es mittlerweile gerne loswerden. „Korruption gibt es in jedem Land“, bekommt man in Bukarest oft zu hören. Ein Vertrauensbeweis für die europäischen Partner ist diese Einstellung nicht.

Ob Rumänien seine Schlacht um Schengen gewinnen wird, darf bezweifelt werden. Außenminister Baconschi will sich nun mit Paris über konkrete Forderungen unterhalten. Der Beitritt könnte auf Oktober verschoben werden, oder gar auf 2012. Bukarest hat von seinem Gegenangriff jedenfalls profitiert: Der Kampf um Schengen bewegt die Bürger, das neue Mitgliedsland zeigt Selbstbewusstsein. In der Wartezeit, so raten besonnene Stimmen in Regierungskreisen, sollte Rumänien ein wenig leiser treten und pragmatisch handeln: die EU-Außengrenze kontrollieren, als wäre man schon in Schengen, und „seine Professionalität unter Beweis stellen“. Auch so könne man die Wahrnehmung des eigenen Landes in Europa ändern.

Auf einen Blick

Mit dem EU-Beitritt Bulgariens und Rumäniens war auch die schrittweise Integration in die Schengen-Zone vorgesehen. 22 von 27 EU-Staaten sind Schengen-Mitglieder. Innerhalb der Zone werden Grenzkontrollen aufgehoben; dafür wird die Überwachung der gemeinsamen Außengrenzen verstärkt. Außerdem verfügen die Sicherheitsbehörden über ein gemeinsames Informationssystem.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2011)

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