Arbeitsmarkt: Unbegründete Angst vor billiger Konkurrenz

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Ab Mai können Beschäftigte aus acht neuen EU-Ländern frei in Österreich arbeiten. Die Mehrheit der Bevölkerung macht sich große Sorgen, doch Experten glauben nicht, dass viele kommen.

Wien/Mar. Staatsbürger aus acht neuen EU-Mitgliedstaaten benötigen ab Mai keine Genehmigung mehr, um in Österreich zu arbeiten – dann gilt die Öffnung des Arbeitsmarktes auch für Polen, Tschechen, Slowaken, Ungarn, Slowenen und Bürgern der drei baltischen Länder. Die österreichische, aber auch deutsche Öffentlichkeit sieht diesem Ereignis mit sehr gemischten Gefühlen entgegen: Während Unternehmer den Schritt begrüßen, wächst unter Beschäftigten die Angst vor Billigarbeitern aus dem Osten.

Nach einer Umfrage des Linzer Instituts Imas sehen 67 Prozent der Deutschen die Arbeitsmarktöffnung skeptisch. In Österreich ist dieser Wert noch höher: 71 Prozent der Befragten befürchten negative Auswirkungen. Zudem gab die Mehrheit an, überhaupt zum ersten Mal von der Liberalisierung zu hören. Diese Ängste stimmen allerdings offenbar nicht ganz mit der Realität überein.

Aus zwei Gründen: Unter Experten rechnet niemand damit, dass der heimische Markt ab Mai einen Ansturm neuer Arbeitssuchender erleben wird. Zweitens kann man davon ausgehen, dass die Vorteile der Liberalisierung auch für Österreich überwiegen werden, etwa beim Fachkräftemangel in zahlreichen Branchen.

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So rechnen sowohl Arbeiterkammer als auch Gewerkschaftsbund mit maximal 25.000 neuen ausländischen Arbeitskräften ab Mai. Gleich nach dem EU-Beitritt 2004 wäre die Liberalisierung sehr wohl ein Problem gewesen, meint Ernst Kopp, österreichischer Wirtschaftsdelegierter in Warschau. „Die Verschiebung war kein Fehler.“ Heute betrage die Arbeitslosigkeit in Polen knapp zehn Prozent. In ländlichen Gebieten sei sie weitaus höher, aber rund um Warschau, Breslau und Krakau herrsche fast Vollbeschäftigung. „Ein guter Schuhmacher verdient 800 bis 900 Euro. Selbst wenn er in Österreich 1200 Euro bekommt, gibt er deswegen nicht alles auf.“

Auch seine Kollegen in der Slowakei, Tschechien und Ungarn sagen genau dasselbe. In allen drei Ländern herrscht ebenfalls Fachkräftemangel. Zusätzlich seien Tschechen, Slowaken und Ungarn von ihrer Mentalität her weit weniger mobil als Polen. Es gibt fast keine Anfragen zum Thema, heißt es aus dem Außenwirtschaftscenter in Bratislava – sowohl von österreichischer als auch von slowakischer Seite. Zwar liegt die Arbeitslosenquote aktuell bei 14 Prozent, doch der Durchschnittslohn beträgt bereits 970 Euro. „Nur für ein paar Euro mehr sind nicht viele Menschen bereit, das Land zu verlassen.“ Erika Teoman-Brenner, Wirtschaftsdelegierte in Budapest, sagt: „Viele, die das wollten, sind längst weg. Vor allem Junge. Heute herrscht auch in Ungarn großer Facharbeitermangel.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2011)

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